Essen. . 28. März, 21 Uhr, mitten in Essen: Ganz in der Nähe des Einkaufszentrums Limbecker Platz feuert ein Mann sieben Schüsse auf einen Geschäftsmann (37) ab. Das Opfer überlebt schwer verletzt. Der Schwager muss sich jetzt vor Gericht verantworten. Die Anklage lautet auf versuchten Mord.

Ein Mordanschlag, wie er in der Bronx oder in Palermo zu verorten wäre: Sieben Schüsse auf einen Mann, abgefeuert aus kurzer Distanz, inmitten zahlreicher Passanten und Autofahrer in einer belebten City – in der Essener City. Seit Montag muss sich Sedat T. (32) aus Wesel dafür vor dem Landgericht Essen verantworten. Angeklagt ist versuchter Mord.

Kein vollendeter Mord, denn das Opfer, ein 37 Jahre alter Essener Geschäftsmann, überlebte den Anschlag dank zahlreicher Notoperationen. Sieben Projektile hatten seinen Körper getroffen: drei in den Rücken, eine Kugel in den Bauch, eine in den Fuß und je eine in den beiden Armen. Abgefeuert von seinem ehemaligen Schwager.

Der Angeklagte schweigt zu Prozessauftakt

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Warum der 37-Jährige sterben sollte, dazu sagt der Angeklagte nichts. Auch zum Prozessauftakt schweigt der 32-Jährige, der so gar nicht wie ein Berufsverbrecher wirkt. Niedrige Beweggründe nennt Staatsanwältin Elke Hinterberg als Mordmerkmal: „Er beschloss, seinen ehemaligen Schwager zu töten, um die geschäftlichen Streitigkeiten mittels Selbstjustiz zu beenden.“ Auch Rache nennt sie als Motiv der aus ihrer Sicht heimtückischen Tat.

Denn Sedat T. soll seinem Schwager am 28. März gegen 21 Uhr auf der viel befahrenen Friedrich-Ebert-Straße in der Nähe des Einkaufszentrums Limbecker Platz aufgelauert haben. Als der 37-Jährige gerade ein Haus betreten wollte, hörte er von hinten eine Stimme. „Du Hurensohn“, rief sein Schwager. Der 37-Jährige: „Ich drehte mich um, sah eine silberne Pistole.“ Der erste Schuss habe seinen Kopf gestreift. Er sei weggerannt, auf den Grünstreifen in der Straßenmitte. Der Schwager hinter ihm her: „Es machte Bam, Bam, Bam – ein Schuss nach dem anderen. Er wollte mich töten.“

Hintergrund sollen Familienstreitigkeiten sein

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Als das Magazin leer war, hätte der Angeklagte mit dem Griff der Pistole immer wieder auf seinen Kopf eingeschlagen. Schließlich entschied der lebensgefährlich Verletzte, sich vor die heranfahrenden Autos auf die Fahrbahn zu werfen. Mit Erfolg. Die Autos stoppten, der Täter flüchtete.

Hintergrund ist die Geschichte einer Familie, die sich wegen der gescheiterten Ehe des Opfers entzweite. Der Vater des Angeklagten führt seit Jahren erfolgreich eine Firma für Dämmstoffe in Wesel, in der er auch den Schwiegersohn als erfolgreichen Verkäufer eingestellt hatte. Nach zehn Jahren Ehe trennte dieser sich aber von seiner Frau. Wenige Monate später verließ der 37-Jährige auch die Firma, machte dem Schwiegervater Konkurrenz.

Auch die Steuerfahndung wurde eingeschaltet

Immer häufiger kam es zum Streit. Der Schwiegersohn: „Wir waren erbitterte Konkurrenten, er ging an meine Kunden.“ Ab Anfang des Jahres eskalierte der Streit. Ins Haus des Vaters des Angeklagten wurde eingebrochen, Schmuck für 80 000 Euro gestohlen. Die Familie verdächtigte den Ex-Schwiegersohn, Beweise fehlten aber.

Mitte März durchsuchte die Steuerfahndung das Haus des Firmenchefs. Der Schwiegersohn bekennt sich zu der Anzeige: „Ich habe die Fahndung informiert, weil die Familie meine Existenz kaputt machte. Drei Tage später fielen die Schüsse auf mich.“ Er ist sicher, dass sein Schwager nur Werkzeug war: „Ich glaube, der Alte gab den Befehl. Hundertprozentig.“ Wie er sich selbst fühlt nach dem Anschlag? „Ich habe keine Kraft mehr. Nicht tot, aber . . .“