Essen. Günther O. steht in Essen vor Gericht, weil er seine Stieftochter ermordet und unter Beton begraben haben soll. Bislang schwieg er zu dem Vorwurf, doch am Dienstag verlas sein Anwalt eine einstündige Erklärung. O. gesteht darin - aber was er schildert, ist ein ganz anderes Verbrechen.

Günther O., der seit über einem halben Jahr wegen Mordverdachts in U-Haft sitzt, räumt ein, seine Stieftochter Madeleine in seinem Schrebergarten begraben zu haben. Ohne dass er es wusste, hätte er sie aber mit Beton und Erde zugedeckt, als sie noch lebte. Der Essener gibt an, die 23-Jährige aus Gelsenkirchen, Mutter seiner zwei Jahre alten Tochter, nicht vorsätzlich getötet haben. Vor dem Essener Schwurgericht schildert sein Verteidiger Wolfgang Weber einen Unglücksfall, der juristisch als Körperverletzung mit Todesfolge geahndet werden könnte.

Rund eine Stunde lang verliest Anwalt Weber die Einlassung seines Mandanten, der am zweiten Prozesstag auf sein Bayern-München-Trikot verzichtet hat. Jetzt trägt er eine Sportjacke mit Aufdruck eines Sportgeschäftes aus dem Essener Stadtteil Borbeck, dazu ein „Jägermeister“-T-Shirt. Unfreiwillige Werbung, auf die Laden und Getränkehersteller wohl gerne verzichtet hätten.

Bislang hatte O. geschwiegen

Bislang hatte der 47 Jahre alte Platzwart Günther O. bei den Ermittlungsbehörden geschwiegen. Am Dienstag räumt er ein, seine Stieftochter seit deren 14. Lebensjahr sexuell missbraucht zu haben. Fünf Fälle sind angeklagt. Er bekennt sich auch zur Vaterschaft an der Zweijährigen. Seine Suche nach Madeleine, die sich vor ihm mit Hilfe des Jugendamtes in Frauenhäusern verborgen hielt, habe allein der Liebe zu seinem Kind gegolten, das er aufwachsen sehen wollte.

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Mit Hilfe seines mitangeklagten Sohnes Daniel habe er schließlich den Kontakt zu Madeleine hergestellt. Er habe mit ihr reden wollen, als er sie am 11. Februar unter einem Vorwand mit seinem Sohn am Gelsenkirchener Hauptbahnhof abfing. Auf Madeleines Wunsch seien sie dann zur Aussprache zu seinem Schrebergarten in Essen-Dellwig gefahren.

Sie habe Streit angefangen, sagt er

Dort habe Madeleine Streit angefangen, laut geschrien und ihm eine Bierflasche über den Kopf gezogen. Selbst in Panik, habe er sie am Schreien hindern wollen und sie gefesselt und geknebelt. Sie habe aber weiter laut gebrüllt. Da hätte er eine Wodkaflasche nach ihr geworfen, die sie am Kopf traf. Tatsächlich hätte er aber nur die Wand treffen wollen, betont er in der schriftlichen Erklärung.

Er habe am Hals den Puls fühlen wollen, aber nichts gespürt. Gemeinsam mit seinem Sohn Daniel will er die Leiche Madeleines dann in eine Grube im Garten gelegt haben. Diese habe er schon früher zur „Bodenverbesserung“ angelegt. Seinem Sohn habe er danach gesagt, er solle wegfahren und sich ein Alibi besorgen. Beim Wurf der Wodkaflasche sei Daniel aber nicht dabei gewesen.

Der Sohn schüttelt mit dem Kopf

Der Sohn sitzt dabei und schüttelt immer wieder mit dem Kopf. Er hatte in seinen bisherigen Aussagen immer betont, er habe Madeleine nur zu einer Aussprache gebracht und sei sofort weggefahren.

Auch wenn Günther O. in seiner Einlassung betont, er sei vom Tod Madeleines ausgegangen, als er sie in die Grube legte, muss er sie demnach lebendig begraben haben. Denn die Rechtsmediziner haben einen Erstickungstod festgestellt. Laut Anklage soll er die 23-Jährige mit einem Kissen erstickt haben. Da er nichts von einem Kissen oder einer Decke erzählt hat, müsste Madeleine also noch gelebt haben, als er Beton und Erde auf ihren Körper häufte.

Dann war es nur fahrlässige Tötung

Was sich besonders grausam anhört, könnte ihm juristisch Möglichkeiten zur Strafmilderung eröffnen. Denn dann wäre der erste Akt ein versuchter Totschlag, weil Madeleine ja noch lebte. Und vom Begraben des lebendigen Menschen könnten Günther O. und sein Anwalt sich eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung erhoffen. Beides Strafen, weit unter einer lebenslangen Haft, falls diese Einlassung nicht durch die Beweislage widerlegt würde.