Essen. Der Essener Kinderarzt Werner Strahl war als Vorsitzender von Cap Anamur zehn Tage in Sierra Leone. Dort kämpfen Cap Anamur-Ärzte im einzigen Kinderkrankenhaus des Landes gegen die Ebola-Epidemie. Die Lage ist dramatisch, selbst die Mediziner haben Angst.

Zehn Tage war Werner Strahl in Sierra Leone, nun freuen sich die kleinen Enkel auf den Opa. Doch eine stürmische Begrüßung wird es nicht geben: „Ich halte im Moment alle auf Abstand, gebe nicht mal die Hand“, sagt der pensionierte Kinderarzt, der als Vorsitzender der Hilfsorganisation Cap Anamur in Westafrika war. Dort grassiert das hochgefährliche Ebola-Virus, an dem mehr als die Hälfte der Betroffenen sterben. Darum hat sich Strahl für die nächsten Wochen unter Quarantäne gesetzt, um jedes Risiko auszuschließen – „und um nachzuempfinden, was wir den Menschen dort zumuten“.

Denn mangels wirksamer Therapie ist das der einzige Rat, den er vor Ort geben konnte: Haltet Euch von Ebola-Patienten fern. Er selbst konnte diese Empfehlung nur bedingt befolgen: „Ein Arzt muss ins Getümmel, das macht auch mir Angst. Aber ich habe einen gesunden Optimismus und bin ein alter Schluffen.“ Vor allem ist der 70-Jährige ein Profi: Strahl, der als Neurochirurg gearbeitet hat und 25 Jahre eine Kinderarztpraxis in Werden hatte, ist seit über 30 Jahren für Cap Anamur aktiv und hat früh Auslandseinsätze für die Organisation gemacht. In Sierra Leone war er nun zum fünften Mal.

Doch diesmal war in dem Sechs-Millionen-Einwohner-Staat und namentlich in der Kinderklinik in der Hauptstadt Freetown alles anders. „Sonst ist es eine Freude, in unser Krankenhaus zu kommen, nun war die Lage dort dramatisch. Wir kämpfen verzweifelt darum, den Klinikbetrieb trotz der Seuche aufrecht zu erhalten – sonst sterben auch Kinder mit behandelbaren Krankheiten wie Malaria und Lungenentzündung.“ Darum wird jeder kleine Patient bei der Aufnahme in der einzigen Kinderklinik des Landes genau untersucht, befragt und im Verdachtsfall umgehend isoliert. „Als Arzt müssen sie dann Einmal-Schutzanzüge tragen, die später sofort verbrannt werden.“

Fast die Hälfte des Personals musste in Quarantäne

Bloß helfen alle Vorsichtsmaßnahmen nichts, wenn die Familie falsche Angaben macht. Wie bei der Dreijährigen, deren Vater verschwieg, dass die Großmutter am Ebola-Virus gestorben war. Als das Testergebnis nach zwei Tagen ergab, dass das Mädchen infiziert war, hatten schon zig Ärzte und Schwestern das Kind angefasst: Fast die Hälfte des Personals musste in Quarantäne – der Rest bekam Panik und streikte, selbst der Oberarzt blieb zu Hause. Das Mädchen starb; und die beiden Cap Anamur-Ärztinnen mussten allein bis zu 120 Patienten versorgen.

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Strahl hat Riesenrespekt für die Cap Anamur-Mitarbeiterinnen, die ein hohes Risiko eingehen; er versteht aber auch die Flucht des heimischen Personals: „In Sierra Leone sind schon 32 Krankenschwestern am Ebola-Virus gestorben.“

Darum war es ihm trotz der Sorgen seiner Familie wichtig, selbst ins Land zu reisen, Verantwortzung zu zeigen. Nun hofft er, dass sich weitere mutige Ärzte finden: „Es wäre fatal, die Menschen dort allein zu lassen.“