Essen. . Vier Tage vor Ende seines Abenteuers auf Zollverein wurde der Künstler Steven Emmanuel bestohlen. 24 Tage lebte der Konzeptkünstler und RWE-Stipendiat auf dem Zechengelände ohne Strom und Gas. Er aß Beeren, Wurzeln und Nüsse und trank Regenwasser. Nun macht er daraus ein Buch und eine Ausstellung.
28 Tage wollte Konzeptkünstler Steven Emmanuel durchhalten und wie Robinson auf Zollverein leben. Nur von dem, was das karge Zechen-Areal hergibt: Beeren und Blätter, Regenwasser und Nüsse. Vier Wochen ohne Gas und Strom, ohne Handy und Facebook. Nur noch vier Tage und Nächte fehlen bis zum ehrgeizigen Ziel, da passiert das niederschmetternde Malheur: Unbekannte Spielverderber stehlen dem 32 Jahre alten Waliser in der Nacht von Samstag auf Sonntag ausgerechnet jenen Rucksack, der seine wichtigsten Überlebens-Utensilien enthält: das Messer, ein Netz zum Jagen, die Axt. Ein jäher Rückschlag, der den „Visit“-Stipendiaten der RWE-Stiftung zwingt, sein Abenteuer vorzeitig zu beenden.
24 Stunden später, Montagmittag, ist er zum ersten Mal seit Wochen frisch geduscht, hat seinen rötlichen Bart um einige Zentimeter gestutzt - und den Bauch wohlig gefüllt. „Ich habe an der Tankstelle fünf Brötchen und drei Pfefferwürste verputzt, später im Restaurant eine Pizza, zwei Bier, einen Grappa und einen Espresso“, berichtet er en detail über seine Rückkehr in den Alltag. Und fügt hinzu: „Merkwürdig, ich bin glücklich zurück zu kommen und zugleich traurig, diesen Ort zu verlassen.“
Ohne Handy und Computer, ohne E-Mail und Facebook
Steven Emmanuel ist ein ebenso zäher wie sensibler Mann - ein Meter achtzig groß, hager, blasser Teint und schüchtern. Über seine spektakuläre Zivilisationsflucht inmitten einer Steinwüste spricht er mit halber Stimme. Ab und zu huscht ein Lächeln über sein Gesicht. „Ehrlich gesagt, ich hatte noch nie soviel Farbe im Gesicht.“ Es ist ein Lächeln der Erleichterung.
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Wer nach dem riskanten Trip in die Halden-Wildnis eine ausgemergeltes Gestalt erwartet hat, sieht sich getäuscht. „Vorher habe ich zwischen 59 und 62 Kilo gewogen, jetzt zeigt die Waage 60,5 an“, erzählt er. Und führt uns vom „Butterzeit“-Imbiss am Fuße von Schacht XII an einem verschlossenen Eisentor, einem Prellbock, alten Zechenbahngleisen und an der Bandbrücke vorbei zu jenem verlassenen Ort, an dem er mehr als drei Wochen sein karges Eremitenleben führte: ohne Handy und Computer, ohne E-Mail und Facebook.
Beeren, Löwenzahnwurzeln, Brennnesseln und Haselnüsse
Und sein Speiseplan? Nun, der fällt in den drei Wochen zwangsläufig sehr sparsam aus. „Ich habe viele Beeren, Löwenzahnwurzeln, Brennnesseln und jede Menge Haselnüsse gegessen.“ Manchmal fischt er ein trockenes Roggenbrot und Frühlingszwiebeln aus einer Abfalltonne. In die Versuchung, Kaninchen über der mit Feuersteinen entfachten Feuerstelle zu grillen, ist Steven Emmanuel übrigens nie gekommen. Er gesteht: „Ich bin doch ein miserabler Jäger.“
Stattdessen legt er sich in seine Hängematte, schläft sehr wenig und lauscht den ihn unbekannten Klängen, die die bunte Tierwelt in dem Birkenwald erzeugt. In einem Hain, der auf jenem grauen Bergmaterial wächst, das hier einst beim Abteufen von Schacht XII aufgeschüttet wurde. „Um mich herum waren Mäuse, Eichhörnchen, Kaninchen und Eulen.“ Hat er nie Langeweile gespürt? „Nein“, erwidert er, „ich fing an mit mir selbst zu sprechen, und zu phantasieren, manchmal hatte ich Kino im Kopf.“ Jeden Tag hinterlässt er an einer Tafel in Halle 8 eine Nachricht. Umgekehrt geben die Zollvereiner ihm Nachrichten von seiner Frau Marianne. „Als sie mir schrieben, dass es ihr gut gehe, musste ich weinen“, sagt er. Wenig später packt er seine sieben Sachen und kehrt heim nach Nürnberg - zu seiner Frau, die er so sehr vermisst hat. Dann will er sich künstlerisch mit seiner Robinsonade auf Zollverein auseinandersetzen. „Ich plane ein Buch und eine Ausstellung.“