Essen.. Spektakulär, archaisch, gewagt: Der walisische Künstler Steven Emmanuel wird sich bis Mitte August von dem ernähren, was das alte Zechenareal hergibt - Beeren und Birke, Löwenzahn und Regenwasser. Was normalerweise im Alltag unverzichtbar ist - Gas, Strom, Energie - existiert für ihn in dieser Zeit nicht.

Steven Emmanuel (30) ist Künstler. Einer, der malt, zeichnet und bloggt, der Videoinstallationen und Skulpturen anfertigt - und doch in keine Schublade passen will. Jetzt durchstreift der exzentrische Grenzgänger aus Wales vier Wochen lang das riesige Zollverein-Areal und ernährt sich ausschließlich von dem, was diese anscheinend so karge und nur mühsam renaturierte Montanlandschaft hergibt.

„The Good Life!?“ - „Das Gute Leben“ - nennt Emmanuel sein spektakuläres, archaisches und gewagtes Kunstprojekt, in dem der kühne Verzicht auf jegliche Art von Strom und Gas oberste Maxime ist. „Ich werde vier Wochen lang mein Handy und meinen Computer nicht benutzen“, sagt Emmanuel. „Keine warme Dusche, kein Licht, kein Kocher.“ Eine radikale Grenzerfahrung, die Rousseaus „edlen Wilden“ wiederauferstehen lässt und zugleich das grelle „Dschungelcamp“-Thema variiert.

„Ich werde Essen sammeln, mir Wasser beschaffen, einen Schutzraum bauen und in einer Überlebenssituation ausdauern“, fügt der Künstler hinzu. Auf Zollverein Nahrung sammeln? Wie, bitteschön, soll das funktionieren in dieser erschöpften und nur hier und da reparierten Landschaft? Diesem kümmerlichen Fleck, der so wenig Garten Eden ist wie die Sahel-Zone.

 Schlafsack, Messer, Axt, Schleuder, Netz und zwei Medikamente dabei

Für Frank Lasarzik, Künstlerischer Leiter von Zollverein, liegt in dieser extremen Konfrontation von Mensch und Natur der Reiz des „Good Life“-Projekt. „Auf Zollverein stand einst die größte und produktivste Zeche der Welt, Zollverein, ein Ort maximaler Energiegewinnung, symbolisiert auch die völlige Unterwerfung der Natur durch den Menschen. Jetzt holt sich die Natur das Gelände wieder zurück.“

 Um sich fit zu machen fürs „Gute Leben“ zwischen Doppelbock, Kokerei und Ulrich Rückriems kolossalen Granitblöcken hat Steven Emmanuel geübt Feuer zu entzünden, er hat Bücher über Waldfrüchte verschlungen und Hemingways Novelle „Der alte Mann und das Meer“ aufgesaugt. Die Ausrüstung, mit der er seit Freitag über Zollverein zieht, ist so karg wie die Landschaft. „Er hat einen Schlafsack dabei, ein Messer, eine Axt, eine Schleuder, ein Netz und zwei Medikamente“, sagt Fabian Lasarzik. Auf seinem Speisezettel steht bis Mitte August viel Vegatarisches: ein Katernberger Allerlei aus Brombeeren und Löwenzahn sowie Regenwasser und nahrhaften Stücken, die die Birke zwischen Stamm und Rinde verbirgt.

Kaninchenjagd ist erlaubt - aber nur mit Netz

Und falls der Heißhunger auf Gegrilltes nicht mehr zu bändigen ist? Nun, auf der unter Naturschutz gestellten Halde Schacht XII wimmelt es bekanntlich vor Kaninchen und anderen Kleintierchen. Sollte Steven Emmanuel unter die Jäger gehen wollen, muss er sich allerdings an die strengen Regeln halten, die ihm der zuständige Revierförster aufgegeben hat: Danach ist Jagen erlaubt - aber bitte nur mit Netz.

Besonders gespannt auf Emmanuels Erfahrungsberichte ist Daniela Berglehn von der RWE-Stiftung, die den Waliser in diesem Jahr als Stipendiaten aufgenommen hat. Sie sagt: „Er hat Blätter und Stifte dabei, und wir sind gespannt, wie er die Erfahrungen später umsetzt.“ Für die Verantwortlichen von Zollverein und RWE-Stiftung steht fest: „Steven darf sich auf keinen Fall selbst gefährden.“ Jeden Tag, so die Verabredung, wird der „Zollverein-Robinson“ kurz in die Zivilisation eintauchen und in der ZNE-Ausstellung eine knappe Nachricht hinterlassen. Am Samstag, dem heißesten Tagen des Jahres, kritzelte er dies auf die Schultafel: „Tag 2 - Ich sehne etwas Regen herbei.“ Die verstörende Sonntags-Notiz verrät schon seinen Ausnahmezustand: „Tag 3 - Noch lebendig. Allerdings habe ich aus einem Hundenapf getrunken.“