Essen. In der Gerresheimer Glashütte in Steele-Horst wird nach zehn Jahren Dauerbetrieb eine der beiden Schmelzwannen ausgewechselt. Die bis zu einer halben Tonne schweren Steine für die Wanne mussten ein Jahr im Voraus bestellt werden und können in Zukunft Temperaturen von bis zu 1600 Grad Celsius aushalten. Für den Austausch der Wanne sind exakt 45 Tage vorgesehen.

Wenn Frank Meierotte erzählt, wo er arbeitet, dann macht er es gerne einfach: „Es ist laut, es ist heiß, es stinkt.“ Das klingt nicht wie die Beschreibung eines Traumarbeitsplatzes. Aber die Art wie er es sagt, verrät, dass er es genauso mag. Der 45-jährige gelernte Betriebsschlosser ist als Abteilungsleiter Instandsetzung und Projektleiter der Gerresheimer Glashütte in Steele-Horst im Moment besonders gefragt.

Zehn Jahre Dauerbetrieb

Nach mehr als zehn Jahren Dauerbetrieb, also etwa 90.000 Stunden ohne Unterbrechung, wird eine der beiden Schmelzwannen der Hütte an der Ruhrau ausgewechselt. Während auf der einen Seite der Produktionshalle in der Weißglaswanne bei Temperaturen von bis zu 1600 Grad Celsius Flüssigglas für etwa 145 Tonnen Flaschen täglich geschmolzen wird, wird auf der anderen Seite die neue Braunglaswanne errichtet. Portugiesische Maurer ziehen zwei nebeneinanderliegende, meterhohe Wärmetauscherbehälter hoch. Dahinter wird in der mächtigen Stahlrahmenkonstruktion schon der Unterbau für die eigentliche Wanne – auch sie meterhoch und am Ende mit einem Gewölbe versehen – erstellt. Schamottsteine werden dazu aufgeschichtet.

Jeder ist ein Einzelstück, ein Jahr im Voraus bestellt – genauso wie die besonders hochwertigen Chromsteine, die Temperaturen von bis zu 1600 Grad Celsius aushalten, die wie alle Steine der Wanne sechsseitig geschliffen sind und die sich am Ende nach dem Hochfahren der Anlage ausdehnen und auf Zehntelmillimeter genau passen. Die Steine sind bis zu einer halben Tonne schwer. Und „sie werden zusammengesetzt wie Lego-Steine“, sagt Frank Meierotte, der schon beim Bau von sieben Wannen beteiligt war. Versetzt liegen die Steine neben- und übereinander. Und am Ende wird Werksleiter Dr. Jürgen Unruh den Schlussstein setzen. „Das ist so etwas wie das Richtfest beim Hausbau“, erklärt er.

Gerresheimer Glashütte

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Und daher „ist das einer der ganz besonderen Momente beim Bau einer Schmelzwanne“, weiß Heinz-Werner Masek, der im gesamten Unternehmen für die Arbeitssicherheit zuständig ist und schon an unzähligen Wannen-Neubauten beteiligt war. „Die Wanne ist das Herzstück einer Glashütte.“ Dementsprechend sorgsam wird sie gebaut.

Alte Wanne kühlt zwei Tage aus 

Exakt 45 Tage sind vorgesehen, um die alte Wanne samt der dazugehörigen Anlage mit vier Produktionsstraßen abzubauen und die neue Wanne mit der gesamten Peripherie wieder zu errichten. 45 Tage, in denen so gut wie nichts schief gehen darf und von denen allein zwei Tage verstrichen, damit die alte Wanne auskühlen konnte. Bei Temperaturen von 125 Grad Celsius gingen Unruh und seine Mannschaft vor dem Abbruch rein in den riesigen, erkalteten Behälter, in dem sich bis vor zwei Wochen ständig 130 Tonnen der glühenden Glasschmelze befanden und die die Wandstärke auf Dauer in Mitleidenschaft ziehen. Sie stellten fest: „Viele Steine waren noch in Ordnung.“ Aber an einigen neuralgischen Stellen hätte es in einigen Monaten kritisch werden können. „Ein Loch in der Wanne wäre eine Katastrophe“, sagt der Werksleiter. Der Wechsel war fällig.

Keine Katastrophe, aber ein wirtschaftlicher Rückschlag wäre es, den Zeitplan des Umbaus nicht einzuhalten. An der Ruhrau haben sie vorproduziert, gut 1,5 Millionen Flaschen stehen in der Regel im weitläufigen Lager. Und während des Baus übernimmt ein Schwesterwerk im süddeutschen Lohr einen Teil der Produktion.

Mehr als zwei Jahre Planung

Am Tag X läuft die Produktion von Braunglas in Essen wieder an. „Bis dahin ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Und das ist das Schwierigste an der ganze Sache“, sagt Werksleiter Unruh. Vor fünf Jahren musste die Investition in zweistelliger Millionenhöhe beim Konzern angemeldet werden, mehr als zwei Jahre lang dauerte die Planung. Und dann muss buchstäblich alles passen.

Etwa 40 Firmen sind am Bau beteiligt, zur ständigen Belegschaft von 360 Mitarbeitern kommen derzeit noch einmal so viele Arbeitskräfte, die am Bau der Wanne und der gesamten Anlage beteiligt sind. Während vorne in der Produktionshalle Spezialisten die Wannenisolierung legen, wird in der Mitte – am sogenannten heißen Ende, wo durch die Feeder das Flüssiggas in die verarbeitenden Maschinen fließt – der Bau von vier Betonmauern vorbereitet, die die einzelnen Produktionsstränge voneinander trennen. Im hinteren Hallenbereich wird am kalten Ende der neue Boden verlegt.

Davor werden die binnen 30 Minuten von einer Temperatur von knapp 600 Grad auf Handwärme heruntergekühlten Flaschen Stück für Stück maschinell geprüft, verpackt und ins Lager gebracht.

Hohe Qualitätsansprüche

Auf dem Hof stehen die neuen Gas-Luft-Mischstationen, die Hallen sind bis unters Dach mit Material und Teilen gefüllt. Sie werden in den nächsten Wochen verbaut. „Unsere Ablaufpläne sind meterlang. Wir haben die Anlage nicht heruntergefahren, bevor wir nicht alles hier hatten“, sagt Werksleiter Unruh. Derzeit laufe alles nach Plan, was gut für Moral und Stimmung ist.

Dass es manchmal rauer und lauter zugeht, liegt in der Natur der Sache – die Zeit drängt eigentlich immer und die Qualitätsansprüche sind hoch – und am Dröhnen der Maschinen. Rund um die Schmelzwannen ist es heiß, rund um die Maschinen so laut, dass die Belegschaft nur mit Ohrstöpseln arbeiten darf. Auch Rauchen ist verboten. Nur jetzt, beim Neubau, darf sich Dr. Unruh abseits der neuen Wanne, eine Zigarette anzünden. Ein tiefer Zug, ein Blick auf das Tagwerk. Es läuft.