Essen. . Das „Hesse“-Bad in Dellwig, das nördlichste Freibad der Stadt, wurde für 2,5 Millionen Euro modernisiert. Das Schwimmerbecken ist halbiert, dafür aber 26 Grad warm. Ein Spitzenwert in Essen. Sehr schick: die Strandkörbe, die neuen Bänke mit Tropenholz und die beliebte Grillecke.

Sommerzeit ist Ferienzeit ist Badezeit. Fünf Freibäder hält die Stadt Essen vor. Bäder, die wir in dieser Woche einem Check unterziehen. Nach Steele, Kettwig und Oststadt ist jetzt das generalüberholte Bad in Dellwig an der Reihe.

Der erste Eindruck

Wie dumm: Es ist Donnerstagmorgen 9.15 Uhr und das Bad hat geschlossen. Weil Wolken vor der Sonne stehen und bei 19 Grad eine frische Brise weht. Deshalb macht „Hesse“, wie das Freibad Dellwig im Volksmund heißt, bis 14 Uhr Pause. Andere Bäder verfahren ähnlich, man will Kosten sparen. Trotzdem: Ein Freibad in den Sommerferien vorübergehend zu schließen, vergrault so manchen Gast. Im Fall Hesse ist das allerdings fast der einzige Minuspunkt. Findet auch Sabine Weier aus Dellwig, die schon als Kind hier war und jetzt am Nachmittag mit Tochter Mathilda (8) gekommen ist. „Ich war heute morgen um halb elf schon hier und enttäuscht, dass die Türen zu waren.“ Die Gegenrechnung der Badleitung: Vor einigen Tagen wurden bei ähnlichem Wetter zwischen 9 und 14 Uhr nur fünf Gäste gezählt.

Das Personal

Badleiter Sven Prochnow (32), einzige Vollzeitkraft und angehender Meister für Bäderbetriebe, führt ein 15-köpfiges Team. Die meisten Kollegen sind Mitglieder von „Rasen und Wassersport“ (Ruwa) Essen, der das städtische Bad seit 1985 gepachtet hat. Prochnow verkörpert die neue Generation „Bademeister“. Trendige Highlights wie Strandkörbe, Beach-Area und Grillecke hat er sich einfallen lassen. „Der Umbau ist gelungen, das Bad ist sauber und das Personal nett“, frohlockt die Dellwigerin Elke Kleinschmidt-Orts, die Stammgast ist („Tagespensum eine Stunde“) und immer mit dem Rad kommt. „Hesse ist mein Jungbrunnen“, lächelt sie. Anekdote am Rande: Die pensionierte Lehrerin hat als Kind hier das Schwimmen erlernt und später dann ihren Schülern die ersten Schwimmzüge beigebracht.

Umkleide, Dusche & Klo

Guter Standard. Sauber. Helle Fliesen. Warmduschen. Abschließbare Spinde in jeder Umkleide. Wickelraum und Behindertentoilette sind vorhanden. Noch auf dem Wunschzettel: Wertfächer am Eingang für Handys, Geldbörsen, Uhren etc.

Das Wasser

Das Schwimmerbecken lockt mit fabelhaft warmen 26 Grad – das ist Spitze in ganz Essen. Ideal für Bahnenzieher: Das Becken ist durchgehend 1,90 Meter tief. Ein schöner Service: Seit der Generalsanierung gibt’s sieben Startblöcke aus Edelstahl. Nachteil: Im Vergleich zum alten ist das neue „Schwimmer“ glatt halbiert (25 statt 50-Meter-Bahn bei 18,5 Meter Breite). So mancher Stammgast wandert deshalb ab. Überschaubar auch das 35 Meter lange „Nichtschwimmer“, das sanft von 10 cm auf 1,00 Meter Tiefe abflacht. „Kinder ab 7 Jahre können auch an der tiefsten Stelle bequem stehen“, sagt der Badleiter. Minuspunkt: das Nichtschwimmer ist nicht beheizt und hat jetzt 23,7 Grad. Außerdem fehlt das Kinderplanschbecken. Ein Wahrzeichen: der alte Sprungturm mit der Förderturm-Silhouette. Ehemaligen Bergleuten geht bei seinem Anblick das Herz auf. „Ein Stück Heimat“, sagen sie. Das marode Sprungbecken haben sie schon vor 25 Jahren mit Sand verfüllt. Angenehmer Nebeneffekt: Pseudo-Machos, Mega-Akrobaten und Muskelpakete, die an heißen Tagen gerne Freibad-Türme zu belagern pflegen und gerne einen Hauch Aggressivität versprühen, lassen sich hier nicht mehr blicken. Das Badteam ist darüber nicht traurig.

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Die Aufpasser

. . . haben in punkto Sicherheit wenig zu tun. Es geht friedlich zu in diesem Familienbad. Dellwig ist ethnisch ein gemischter Stadtteil und das Freibad anscheinend eine Art Spiegel: Deutschstämmige und Zuwanderer respektieren sich. Security-Personal: Fehlanzeige.

Rund ums Becken

Erfreulich viele Extras. Sehr trendig: Zehn nagelneue Strandkörbe, die für zehn Euro (davon vier Euro Pfand) gemietet werden können. Ebenso im Angebot: Liegen zum Ausleihen für sechs Euro (zwei Euro Pfand). Schick: die langgestreckten Tropenholz-Bänke und die sandige Beach-Area im Kinderbereich. Ruhige Lage zwischen Rhein-Herne-Kanal und Kleingartenanlage. 12 000 qm Liegefläche mit vielen Prachtbäumen. Hinzu kommen die Beachvolleyball-Anlage, Basketball, Bolzplatz mit Toren, Tischtennisplatten, Boccia-Bahn. Sehr gut angenommen werden die rasengrünen Schrägen am Schwimmer, die seit dem Umbau die tristen Betontreppen ersetzen.

Leib & Seele

Der Kiosk in „Ruwa“-Regie bietet warmen und kalten Imbiss, Eis, Süßes, Limo, Bier. Ein heißer Tipp ist die Grillecke (Kosten zehn Euro + zehn Euro Pfand), wo sich Einheimische und Zuwanderer, Studenten und Sportler treffen. Auch Kindergeburtstage werden hier gerne gefeiert. „Seitdem wir Pfandgeld verlangen, werden die Grills picobello hinterlassen“, sagt Badleiter Prochnow. Eine nette Geste: Kaffee (gegen eine kleine Spende) serviert das Badteam nicht mehr nur den Frühschwimmern, sondern inzwischen ganztägig.

Fassungsvermögen

2500 Besucher sind ein gutes Tagesergebnis. Dieses Jahr waren schon zwei Mal 3000 drin. 5000 wäre das Maximum. Die Besucherzahlen der letzten Jahre – 2011: 25 000; 2012: 40 000; 2013: 0 (wegen Umbau); 2014 (Stand 6. August): 26 500.

Fazit

Pluspunkte: Gelungene Sanierung. Wärmstes Schwimmerbecken der Stadt. Trendig möbliert mit Strandkorb und Grillecke. Barrierefreier Weg zum Becken. Familiär. Sauber.
Ein Ort zum Durchatmen.

Minuspunkte: Das halbe Schwimmerbecken ist nicht Jedermanns Sache. Einige Stammgäste haben dem Bad deshalb den Rücken gekehrt. Kinderplanschbecken fehlt. Nichtschwimmer unbeheizt.

Alle Folgen des Freibad-Checks finden Sie hier.