Essen. Im vergangenen Jahr war in der Stadt Essen das Wohl von 447 Kindern und Jugendlichen gefährdet. Die Zahl der Inobhutnahmen ist damit auf ein Rekordhoch gestiegen. Das geht nun aus einer Bilanz des Statistischen Landesamts NRW hervor. Nicht immer stellt sich ein Hinweis als falscher Alarm heraus.
Die Familien-Feuerwehr des Jugendamtes war im vergangenen Jahr nahezu vier Mal pro Tag im Einsatz – zumindest rein rechnerisch: 1330 Mal gingen die Mitarbeiter der Sozialen Dienste dem Verdacht nach, dass das Wohl eines Kindes in der Stadt gefährdet sein könnte.
In nur 337 Fällen stellte sich ein Hinweis als falscher Alarm heraus. 546 Eltern brauchten mindestens eine Unterstützung. 297 Mal war das Kindeswohl „latent“ gefährdet, was heißt: Die Frage, ob tatsächlich eine Gefahr für Leib, Leben oder Seele bestand, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
In den übrigen Fällen war das offensichtlicher: 150 junge Essener galten als „akut“ gefährdet, geht aus einer jetzt veröffentlichten Bilanz des Statistischen Landesamts hervor. 47 davon waren noch keine drei Jahre alt.
Neues Rekordhoch der Inobhutnahmen
Es gab im vergangenen Jahr insgesamt zwar vier Verfahren weniger als noch 2012. Jedoch stieg die Zahl der Inobhutnahmen durch das Jugendamt erneut und damit auf ein Rekordhoch (die NRZ berichtete): Exakt 431 unter 18-Jährige mussten vorübergehend oder für längere Zeit aus ihren Familien genommen werden. Das sind 62 mehr als Jahr zuvor. Gegenüber 2011 sahen sich die Helfer sogar 111 Mal häufiger zum Einschreiten gezwungen.
Es sind beunruhigende Zahlen, denen dennoch etwas Tröstliches innewohnt: Wenn es gilt, Kinder vor Krisen oder familiären Katastrophen zu schützen, „sind wir in Essen ganz gut aufgestellt“, zeigte sich Ulrich Engelen, Leiter der Sozialen Dienste, in einem Gespräch mit der NRZ überzeugt. Rund 60 Prozent der Inobhutnahmen sind nach drei, 80 Prozent immerhin nach neun Tagen beendet. Was für Engelen heißt, „dass wir die Situation in der Regel mit ambulanten Hilfen meistern können“.
Wachsahme Familien-Feuerwehr
Der häufigste Anlass für vorläufige Schutzmaßnahmen war mit 150 Fällen oder 33,9 Prozent eine Überforderung der Eltern. Ein Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung lag in 3,8 beziehungsweise 8 Prozent aller Fälle vor. 226 Mal schlugen Lehrer oder Erzieherinnen Alarm, 334 Hinweise kamen von Verwandten oder Bekannten, Behörden unterrichteten das Jugendamt in 182 Fällen, und 588 Mal vermuteten Nachbarn oder Dritte Ungemach. Das laufende Jahr ist einmal mehr ein arbeitsreiches für die Familien-Feuerwehr: In den ersten sechs Monaten griff das Jugendamt sogar noch häufiger ein als im vergangenen Jahr. „Wir müssen mehr als wachsam sein“, sagte Engelen.