Essen.. Die harte Kritik an seiner Amtsführung ist für Oberbürgermeister Reinhard Paß in einer Mischung aus persönlichen und politischen Gründen zu suchen. Im ersten Teil des großen WAZ-Sommerinterviews räumt er eigene Versäumnisse ein, bemängelt aber auch fehlendes Verständnis für die Rolle eines OB.
„Für den OB-Posten die falsche Person“ - mit dieser Generalkritik hat die SPD-Landtagsabgeordnete und designierte neue Essener Parteichefin Britta Altenkamp das in der SPD schon lange wabernde Unbehagen über Reinhard Paß jüngst schlagartig zu einem offiziellen Thema gemacht. Ob zum Schaden oder Nutzen des OB, ist noch nicht ausgemacht. Mit Reinhard Paß, der sich im September 2015 erneut zur Wahl stellen will, sprach Frank Stenglein.
Herr Paß, wie kommt es eigentlich, dass in der SPD so kritisch über ihre Amtsführung debattiert wird?
Reinhard Paß: Weder im Vorstand noch auf einem Parteitag wurde über mich debattiert, das vorab. Die SPD ist eine Partei mit breiten Flügeln, die schlagen schon mal heftig, es gibt Interessengegensätze, die dann häufig auch an Personen festgemacht werden. Eine Ausnahme gab es...
Sie meinen die Sitzung, in der sie sich weigerten, wie vom SPD-Vorstand gewünscht, bereits zur Ratswahl im Mai 2014 zu kandidieren.
Paß: Genau. Da mag sich unterschwellig auch allgemeiner Unmut gegen mich entladen haben. Den führe ich aber eben auch auf die unterschiedlichen Rollen zurück. Wenn Geld genug da ist, dann ist vieles in einer Stadt kein Problem. Wenn alles enger wird und man als Oberbürgermeister hie und da etwas streichen muss, dann ist alles viel schwieriger, vor allem für die eigene Partei.
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Basiert die Kritik an Ihnen also auf Missverständnissen?
Paß: Sicher auch das. Der OB hat jedenfalls andere Aufgaben als eine Ratsfraktion oder eine Partei. Als Oberbürgermeister muss man für alle Bürger da sein, eine breite Mehrheit repräsentieren, auch in politischen Fragen. Der Wähler erwartet da Verlässlichkeit.
Sind Sie für den Geschmack der SPD vielleicht zu pragmatisch?
Paß: Es ist nicht so einfach, sich selbst zu bewerten, aber es stimmt schon: Ich bin ein Pragmatiker, ein Mensch der Mitte. Und ich erwähne an der Stelle gern, dass ich bei meiner Wahl 2009 mehr Stimmen bekommen habe als die eigene Partei
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Frau Altenkamp hat auch Ihre Sparpolitik kritisiert. Lebt die SPD zu sehr in der Welt der Wünsche, vor allem, wenn es um Finanzen geht?
Paß: Wenn sie - wie die SPD 2009 - nach zehn Jahren Opposition stärkste Fraktion werden und die Hoffnung haben, gestalten zu können, und dann festzustellen, es geht gar nicht, dann kommt natürlich Frust auf, Wenn ich als OB dann aus dem Amt heraus Ratsbeschlüsse umsetzen muss, die nicht diejenigen der SPD sind, wenn ich gleichzeitig auch auf die Grenzen des Haushaltsrechts Rücksicht nehmen muss, dann kann das zu Unmut führen und zu der Frage: Wo bleibt denn eigentlich unser Oberbürgermeister?
Haben Sie keine Fehler gemacht?
Paß: Doch, man hätte aus der Konstellation mehr machen können, auch ich. Ich will auch nicht verkennen, dass das Gegrummel in der Partei über mich und mein Amt schleichend lauter wurde. Man erkennt das oft erst, wenn es sich dann entlädt. Da will ich gerne zugestehen, dass ich da sensibler hätte sein können. Aber ich hätte nicht im Grundsatz eine andere Politik machen können - nicht mit dem CDU-geführten Viererbündnis, das die Mehrheit hatte, und nicht unter diesen finanziellen Rahmenbedingungen. Die Politik ist frei und das Amt ist eben - ein Amt.
Fortsetzung des Interviews auf Seite 2
Essens OB Reinhard Paß über das Verhältnis zu seinen Kritikern in der SPD
Gute Kommunikation kostet Zeit.
Paß: Sicher. Wir sind gestartet mit Gesprächsrunden zwischen Fraktion, Partei und Oberbürgermeister. Das ist aber nicht so durchgezogen worden, und irgendwann war die Partei gar nicht mehr vertreten.
Stimmt manchmal auch einfach die Chemie nicht zwischen Ihnen und einigen Parteifreunden?
Paß: Überall wo Menschen miteinander arbeiten müssen, kann das passieren. Aber ich kann mit jedem reden. Manchmal entscheide ich, dass ich dazu keine Lust habe, aber da muss mich jemand schon sehr ärgern. Das hält aber meistens nicht lange an, ich bin da nicht zickig. Ich brauche auch kritische Gesprächspartner statt Ja-Sager für die inhaltliche Auseinandersetzung, und ich mag da nicht immer einfach sein, weil ich meine Positionen hochhalte. Meine Erfahrung ist: Wenn immer alle sofort im Gleichschritt gehen, kommt in der Sache einfach weniger raus.
Warum kandidieren Sie nicht selbst für den Vorsitz der Essener SPD?
Paß: Ich war lange im Rat der Stadt, habe aber nie ein Parteiamt gehabt außer das des stellvertretenden Ortsvereinsvorsitzenden. Ich habe das im Sinne einer Arbeitsteilung immer für richtig gehalten. Für die Stadt kommt mehr heraus, wenn sich jeder auf seinem eigenen Feld profilieren kann: Partei, Fraktion und Oberbürgermeister.
Wenn Sie Parteichef wären, könnten Sie aber manchen Konflikt besser austarieren.
Paß: Mag sein, aber der Wähler würde die Doppelrolle vermutlich nicht honorieren. Es ist dem Amt geschuldet, dass man sich nicht zu parteilich darstellt, eben ein OB für alle ist. Dieser Ansicht war ich zwar immer, aber ihre Richtigkeit ist mir im Laufe der letzten Jahre noch klarer geworden
Die Attacke von Britta Altenkamp führt anscheinend zu einer gewissen Solidarisierung mit Ihnen. Würden Sie soweit gehen und sagen: Unfreiwillig hat sie mir geholfen?
Paß: Spontan habe ich auch dieses Gefühl: Die Meinungen, die man so liest, sind mehrheitlich auf meiner Seite. Deshalb könnte man das fast so formulieren wie in Ihrer Frage. Aber es gibt ja noch kein Ergebnis. Ich muss erst noch von der SPD nominiert werden. Warten wir es ab
Als die Attacke kam, welche Gefühle hatten Sie da?
Paß: Zunächst ärgert man sich, dann fragt man sich: warum macht sie das? Und dann habe ich gedacht, so jetzt ist mein Kampfgeist noch mehr geweckt. Nichts ist ja schlimmer als unterschwelliges Gegrummel in einer Partei. Jetzt aber habe ich das Thema auf dem Tisch liegen, jetzt kann ich argumentieren, um was es geht.
Schadet die Debatte der SPD, wie Fraktionschef Marschan meint?
Paß: Das hängt vom Ergebnis ab. Wenn die SPD diese Diskussion zum Anlass nimmt, um zu dem Schluss zu kommen: „Lasst uns geschlossen an der Seite unseres Oberbürgermeisters in die Wahl gehen“, dann hat es nicht geschadet. Nichts ist ja schlimmer für eine Partei, wenn die Wähler sagen: Die kriegen ja nicht mal ihre eigenen Probleme gebacken, wie sollen sie dann die Probleme der Stadt gebacken kriegen. Es hilft auf jeden Fall, ein paar Fronten zu klären. Ich selbst lerne auch dazu und weiß, dass ich hie und da etwas versäumt habe, was das Thema Kommunikation betrifft.