Essen. Die designierte SPD-Vorsitzende Britta Altenkamp rechnet mit dem Oberbürgermeister ab. Reinhard Paß sei „nicht dialog- und kompromissfähig“ und betreibe - obwohl Sozialdemokrat - eine teils falsche Politik. Ihre Kritik bleibt in der SPD nicht unwidersprochen.
Es war in den letzten Monaten etwas ruhiger geworden im seit Jahren schwelenden Streit zwischen dem Oberbürgermeister und der SPD. Die Ratswahl wirkte disziplinierend, und auch sonst hörte man aus den Reihen seiner Partei - vereinzelt - vorsichtig Positives über Reinhard Paß. Mit einem Paukenschlag hat die Landtagsabgeordnete und designierte neue Parteivorsitzende Britta Altenkamp am Freitag deutlich gemacht, dass der Zwist mitnichten beendet ist, vielmehr die Operation „Keine zweite Amtszeit für Paß“ nun in die konkrete Phase kommt - jedenfalls wenn es nach Altenkamp und der mutmaßlich klaren Mehrheit der Essener SPD-Funktionsträger geht. „Reinhard Paß ist für den OB-Posten die falsche Person“, so Altenkamp, die beim Essener SPD-Parteitag am 13. September als Nachfolgerin von Dieter Hilser voraussichtlich neue Parteivorsitzende wird.
Warum es nach der OB-Wahl im September 2015 für Paß keine zweite Amtszeit geben soll, dazu fallen der designierten Parteichefin einige Gründe ein - vorwiegend solche, die in Paß’ Persönlichkeit begründet liegen, aber auch politische. Paß sei „nicht dialog- und kompromissfähig“, habe der SPD stets signalisiert, dass sie nicht ernstzunehmen sei. „Er nimmt Kritik oft so persönlich, dass er darauf nicht mehr rational reagieren kann“, so Altenkamp.
Unter anderem der Sparkurs hat die SPD „fünf Jahre lang enttäuscht“
Inhaltlich ging der im SPD-Spektrum links angesiedelten Sozialpolitikerin der recht rigide und als „alternativlos“ dargestellte Sparkurs des OB gegen den Strich. Paß habe Diskussionen als nicht notwendig erachtet, da ja im Verwaltungsvorstand schon alles beschlossen worden sei. „Es waren fünf Jahre voller Enttäuschungen für die SPD“, bilanziert die 49-Jährige. Da sei es etwas viel verlangt, Paß auf dem Ticket der von ihm missachteteten Partei eine zweite Amtszeit zu ermöglichen.
Paß hatte seinen Hut gleich am Abend der für die SPD eher enttäuschend ausgegangenen Ratswahl in den Ring geworfen - zum Verdruss vieler Sozialdemokraten, die dies als einen weiteren unabgestimmten Alleingang werteten. Massive und erstmals parteiöffentliche Kritik hatte zuvor seine Weigerung zur Folge, sein Amt nicht bereits zur Ratswahl im Mai 2014 verteidigen zu wollen - auch dies entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der SPD.
Die Hoffnungen richten sich auf Justizminister Thomas Kutschaty
Altenkamps harte Abrechnung mit Paß provoziert die Frage, wen die SPD denn stattdessen ins OB-Rennen schicken will. Der einzige Kandidat, auf den sich die Essener SPD schnell einigen könnte, ist weiterhin eher abgeneigt: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty möchte lieber genau dies bleiben, hat andererseits offiziell noch nie etwas zu einer OB-Kandidatur gesagt, was manchen noch hoffen lässt. Altenkamp selbst sagt klipp und klar: „Ich schließe für mich eine OB-Kandidatur aus.“ Mit dem früheren Essener Kulturdezernenten Oliver Scheytt, der Interesse hätte und dem Amt wohl gewachsen wäre, mag sich wiederum die Partei nicht recht anfreunden.
Mit anderen Worten: Die SPD hat (noch) niemanden, auf den es zulaufen könnte. Auch Altenkamp nennt die Lage „vertrackt“, man führe aber „viele Gespräche“. Mit wem lässt sie offen. Noch vor der Winterpause will die designierte Vorsitzende Klarheit schaffen - „in einem auch für Reinhard Paß fairen Verfahren“, wie sie betont. Möglich sei etwa ein Mitgliederentscheid. „Da kann dann auch Reinhard Paß für sich werben.“
Art und Zeitpunkt der Abrechnung stört einige Sozialdemokraten
Den amtierenden OB abgemeiert, aber noch keinen neuen Kandidaten in Sicht: Es gibt auch Sozialdemokraten, die Paß zumindest nicht verdammen und Altenkamps Strategie als tollkühn kritisieren. „Die Diskussion über den OB jetzt vom Zaum zu brechen, ist überflüssig, zumal Britta Altenkamp keine Alternative nennen kann“, sagt Bürgermeister Rudi Jelinek. „Der OB leistet keine schlechte Arbeit, man kann es nie allen recht machen“, versucht es Jelinek mit einer eher lauwarmen Verteidigung. Konkreter schon SPD-Ratsherr Thomas Rotter, der in der Fraktion eine zunehmend wichtigere Rolle spielt: „Das hat Reinhard Paß nicht verdient.“ Und: „Wie Britta Altenkamp in Bezug auf den OB vorgeht, finde ich vom Stil her völlig verfehlt.“