Essen. Patienten helfen, sie beschützen – das sind die Aufgaben eines Krankenpflegers. Doch der 30-Jährige, der seit Freitag vor der V. Strafkammer sitzt, soll diese Pflichten grob missachtet haben. Die Anklage wirft ihm vor, eine betrunkene 20-Jährige unsittlich berührt zu haben.

Patienten helfen, sie beschützen – das sind die Aufgaben eines Krankenpflegers. Doch der 30-Jährige, der seit Freitag vor der V. Essener Strafkammer sitzt, soll diese Pflichten grob missachtet haben. Die Anklage wirft ihm vor, eine betrunkene 20-Jährige unsittlich berührt zu haben.

Eine schwierige Wahrheitssuche, zwei Jahre nach dem Vorfall, der von der Staatsanwaltschaft als sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person gewertet wird. Die heute 22-Jährige, eine angehende Lehrerin, war am 15. Juli 2012 in den frühen Morgenstunden nach dem Besuch der Diskothek „Mupa“ in der Essener City im regungslosen Zustand im Rettungswagen in die Essener Klinik gebracht worden. 1,8 Promille hatte die zierliche Frau im Blut, ergab eine spätere Blutprobe.

Zwischendurch Filmriss

Was hat sie tatsächlich erlebt, was hat ihr das Gehirn in diesem Zustand nur vorgegaukelt? Sie selbst räumt ein, dass sie zwischendurch einen Filmriss hatte, dass sie manches auch nur aus den Erzählungen von Freund und Freundin weiß.

Laut Anklage soll der 30 Jahre alte Pfleger die junge Frau, die mit einem kurzen Rock und einem Top bekleidet war, nach der ersten Versorgung in den Flur der Station geschoben haben. Dort soll er sie befingert haben. Als sie sich bewegte und auf den Rücken legte, soll er versucht haben, unter ihrem Top die Brüste zu streicheln. Weil sie sich erneut bewegt hätte, soll er gegangen sein.

Der Pfleger hat diese Tat von Anfang an bestritten. Er habe sie auf dem Flur lediglich angefasst, um sie in die stabile Seitenlage zu bringen. Mehr nicht. Er sei erschüttert gewesen, als sie ihn später beschuldigte. Auf die Frage seines Verteidigers Andreas Schäfer bestätigt er, dass er damals erst zwei Monate verheiratet war. Das wird aber nicht entscheidend zur Wahrheitsfindung beitragen.

Täter an der Stimme erkannt 

Die 22-Jährige zeigt sich sicher, dass er der Täter ist. Sie habe im Krankenhaus von der Einlieferung bis zur Tat zwar die Augen nicht aufgemacht, weil sie Ruhe haben wollte, aber alles mitbekommen. Den Täter habe sie an der Stimme erkannt. Eine 46 Jahre alte Krankenschwester erinnert sich, dass die junge Frau völlig aufgelöst gewesen sei und den Pfleger immer wieder beschuldigt habe. Allerdings hätte sie zuvor einen anderen Pfleger der Tat bezichtigt. Ihren Kollegen nimmt sie in Schutz, in all den Jahren habe er auch nie den Ansatz eines Verdachtes geliefert. Die Frau habe sicher etwas erlebt, sagt sie: „Aber sie war ja auch im Rettungswagen mit Pflegern zusammen und zuvor mit dem Türsteher allein.“

So ganz traut wohl auch die Staatsanwaltschaft den Angaben des mutmaßlichen Opfers nicht. Einmal hatte sie das Verfahren bereits eingestellt, auf Beschwerde des Anwaltes der 22-Jährigen dann aber doch Anklage erhoben.

1,8 Promille im Blut

Wie trügerisch die Erinnerung der Frau ist, zeigen ihre Angaben zum Alkohol. „Ganz wenig“ hätte sie getrunken, sagt sie: „Beim Vorglühen etwas Wodka-Red Bull.“ Und in der Disko nur einen Likör und ein Glas Sekt. Ihre Freundin bestätigt das. Den Juristen im Saal dürfte auch ohne rechtsmedizinische Beratung klar sein, dass diese Mengen nie zu 1,8 Promille führen. Und angebliche K.O.-Tropfen erhöhen ja nicht den Alkoholgehalt im Blut.

Die Krankenschwester dürfte diese Einschätzung teilen: „K.O.-Tropfen hören wir oft, aber das bestätigt sich eigentlich nie. Fast immer haben die jungen Damen zu wenig gegessen und zu viel getrunken.“