Essen. Die Essener Fußballvereine erwarten einen Zuwachs bei den Mitgliederzahlen – vor allem natürlich beim Nachwuchs. Sie sprechen dabei aus der Erfahrung der vergangenen Turniere.

Die Zukunft des Fußballs in Deutschland trägt die Nummer 19 auf dem Rücken. Mario Götze ist nicht nur der Siegtorschütze im Finale der Weltmeisterschaft gegen Argentinien gewesen, sondern auch Projektionsfläche für die Erwartungen der Essener Vereine. Götze übernimmt die Rolle des Posterstars, dessen entscheidender Treffer auf den Plätzen der Stadt von lauter 10-Jährigen nachgestellt wird. Folgt also auf den vierten Stern für die Nationalelf, nun der Boom bei den Anmeldungen im Jugendbereich? Die Erfahrungen sprechen dafür, die Vereine rechnen fest damit – selbst wenn längst nicht jeder über ausreichend Kapazitäten für neue Nachwuchshoffnungen verfügt.

Die Essener Sportgemeinschaft 99/06 aus Huttrop gehört zu den Vereinen mit den größten Jugendabteilungen. Rund 400 Kinder und Jugendliche spielen auf dem Platz an der Dinnendahlstraße Fußball. „Ich rechne ganz fest mit einem Boom“, sagt Präsident Ulrich Schlüter. „Mario Götze wird dabei am meisten Bedeutung haben. Er ist selbst noch jung und die Kinder wollen sein Tor alle nachspielen.“ Schlüter spricht aus Erfahrung. Bei vergangenen Turnieren habe es immer einen sprunghaften Anstieg von neuen Mitgliedern bei den Junioren gegeben, auch wenn Deutschland keinen Titel geholt hat. „Es sind nach den großen Turnieren meist zwischen 50 bis 70 neue Leute dazugekommen“, sagt er. Zwischenzeitlich ist der Verein bei der Kapazität an seine Grenzen gestoßen, neue Mitglieder konnten im Nachwuchsbereich eine Zeit lang überhaupt nicht mehr aufgenommen werden. Die Situation hat sich laut Schlüter aber mittlerweile wieder entspannt. Kommt der Boom tatsächlich – was sich wohl frühestens nach dem Ende der Sommerferien absehen lässt – die Sportgemeinschaft könnte ihn auffangen.

Vereine mit Kunstrasenanlage profitieren am meisten

Auch Wolfgang Rohrberg ist sich sicher, dass der Weltmeistertitel Auswirkungen auf die Anmeldezahlen der Vereine hat. „Wir sind da guter Hoffnung“, so der Geschäftsführer des Essener Sportbunds. „Nach großen Turnieren lässt sich regelmäßig ein Zulauf feststellen, egal ob beim Fußball oder beim Handball.“ Allerdings hegt Rohrbach Zweifel an der Nachhaltigkeit: „Spannend ist die Frage: Wie lange bleiben sie dabei?“ Immerhin: Aus seinen Statistiken der vergangenen zehn Jahre geht ein Anstieg der Mitgliederzahlen hervor. Waren im Jahr 2004 in den damals noch 88 Essener Fußballvereinen 26.874 Menschen angemeldet, so sind es im Jahr 2014 in den nun mehr 83 Clubs stolze 28.941. Rohrberg ist allerdings vorsichtig mit solchen Zahlen. Denn es werden dort natürlich passive Mitglieder mitgezählt, und oft auch Sportler aus anderen Sparten der Vereine.

Am meisten profitiert von Neuanmeldungen haben in der jüngeren Vergangenheit die Vereine mit einer modernen Kunstrasenanlage. Nur ein Beispiel dafür: Der SV Burgaltendorf. Lange Zeit mussten sie im Essener Süd-Osten auf der ungeliebten Asche kicken, seit Anfang des Jahres steht an der Windmühle nun endlich das begehrte künstliche Grün. Jahrelang hat der Verein darauf nur gehofft und den Anschluss verloren, viele Fußballer haben sich abgemeldet, weil sie nicht mehr auf Asche spielen wollten. „So langsam wird die Lücke aber wieder kleiner“, sagt der Vorsitzender Frank Heuer. Auch er glaubt, dass durch den Titel in Brasilien mehr Kinder Lust auf Fußball haben: „Mit Sicherheit ist eine Euphorie da, auch aufgrund des positiven Auftretens der Mannschaft.“

Nur noch fünf Mannschaften beim Rüttenscheider SC

Beim TuS Holsterhausen können sich die Verantwortlichen aufgrund des Kunstrasens vor lauter Anfragen immer noch kaum retten. Die Folge: Regelmäßig müssen Kinder abgewiesen werden. „Wir können gar keinen Boom gebrauchen“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Müller. „Wir haben jetzt schon 13 Mannschaften und wissen gar nicht, wo die neuen Leute alle spielen sollten. Wir haben kaum noch Kapazitäten frei.“

Ein Problem vom dem viele Vereine, die noch auf Asche trainieren und spielen müssen, lediglich träumen können. Der Rüttenscheider SC zum Beispiel hat einen extremen Aderlass hinter sich. Von einst 16 Mannschaften sind laut Geschäftsführer Eckard Buchalik noch fünf übrig geblieben. Mehr als 100 Jugendliche haben den Verein verlassen und sind dahin gewechselt, wo die Plätze modern sind. „Das war ein harter Schlag“, sagt Buchalik. „Wir hoffen, dass sich nach den Ferien ein positives Bild bei den Anmeldungen abzeichnet.“

Aber egal ob auf Asche oder Kunstrasen: Das Trikot mit der Nummer 19 wird dann wohl oft zu sehen sein.