Essen. Protest regt sich in Essen überall, wo eine neue Asyl-Unterkunft geplant ist. Im Essener Stadtteil Haarzopf wurden laut einer Mutter sogar Kinder losgeschickt, um Unterschriften gegen ein neues Flüchtlingsheim zu sammeln. Ein katholischer Kindergarten im Viertel lehnte es ab, die Listen auszulegen.

Wo immer die Stadt Essen ein Heim für Asylbewerber plant, regt sich Protest der Anwohner. In Haarzopf, wo auf dem Schulgelände Hatzper Straße vorübergehend eine Unterkunft entstehen soll, schickten aufgeregte Bürger dieser Tage sogar Kinder los, um Unterschriften gegen diese Pläne zu sammeln.

„Ich finde es ein starkes Stück, wenn die Leute ihre Kinder für so etwas instrumentalisieren“, sagt Andrea Schmitzke (Name geändert). Sie wohnt selbst im Stadtteil, hat zwei kleine Kinder und ärgert sich über das, was sie derzeit in einer Haarzopfer Facebook-Gruppe lesen muss. Da ist von Einbrüchen die Rede, die angeblich den Flüchtlingen zuzuschreiben sind, die in der bereits vorhandenen Einrichtung Auf’m Bögel leben, da heißt es, dass man sich seinen Wohnort ja bewusst gewählt habe, weil man nicht „in einem Slum“ leben wolle.

Und eine Mutter verkündet, ihre elf Jahre alte Tochter habe mit einer Freundin Unterschriften gegen die geplante neue Einrichtung gesammelt. Dabei habe sie viel Positives erlebt, sei aber „teilweise von den Leuten böse beschimpft worden“. Kritik, man solle Kinder nicht mit einer solchen Mission losschicken, weist die Mutter zurück: „Mein Kind und die anderen haben es aus freien Stücken getan.“ Sie wolle ja nur, „dass mein Kind unbeschwert zu Freunden mit dem Rad fährt, ohne Angst haben zu müssen dass ihr Rad geklaut wird, was hier in Haarzopf schon oft passiert ist“.

Kindergarten gegen Unterschriftenliste

An die Ängste von Eltern wollten wohl auch jene appellieren, die versuchten, Unterschriftenlisten im Kindergarten Christus König auszulegen. Sie habe das abgelehnt, sagt die stellvertretende Leiterin: Mit der Haltung der katholischen Kita sei das unvereinbar. Trotzdem verbreitete sich das Gerücht, der Pfarrer selbst habe der Unterschriften-Sammlung zugestimmt – das sei Zivilcourage. Von wegen, wettert Michael Niekämper: „Ich bin sauer, dass man meinen Namen für so etwas benutzt.“

Pfarrer Niekämper nämlich sitzt am Runden Tisch und wirbt dort seit langem um Akzeptanz für die Bewohner der Unterkunft Auf’m Bögel. Mehr Verständnis für die Menschen, die in Not nach Essen kommen, wünscht sich auch Andrea Schmitzke: „Auf Facebook werde ich dafür als naiver Gutmensch verspottet.“

300 Unterschriften innerhalb von 24 Stunden

Betroffen reagiert aber auch der Initiator der Unterschriften-Liste, Thomas Grünewald. Er habe die Liste nur an Bekannte gemailt und halte nichts davon, Kinder mit ihr loszuschicken. Auch kenne er die Haltung des Pfarrers und hätte ihn daher nie mit dem Thema behelligt.

Dass in nur 24 Stunden mehr als 300 Unterschriften zusammengekommen sind, sei aber Beleg für die Sorge der Anwohner, dass ein weiteres Heim mehr Lärm, Müll und Ärger mit sich bringe, so Grünewald. Immerhin habe sich der Büroleiter des Sozialdezernenten bei der Unterschriften-Übergabe viel Zeit genommen, solche Sorgen zu zerstreuen. Bleibt zu hoffen, dass das fruchtet: Der Rat hat die neue Unterkunft nämlich beschlossen.