Essen..
Ilse Storb, die „Jazzmutter der Nation“ aus Essen, wird 85. Die dynamische Jubilarin ist ein Paradiesvogel im Musikbetrieb und Europas einzige Professorin für Jazzforschung, aber auch Bundesverdienstkreuzträgerin und Weltmusik-Expertin.
Wäre Ilse Storb jemals in die Politik gegangen, dann hätte sie als erstes wohl das Völkerverständigungsministerium für Musik aus der Taufe gehoben. Aber wenn eine das Taktieren und Hinterzimmer-Schachern nun wirklich nicht schätzt, dann ist es dieses streitbare Frau mit der schrillen Florida-Brille, die TV-Anarcho Stefan Raab genauso die Leviten liest wie seriösen Uni-Rektoren. Und sollte Quatschmacher Helge Schneider der Geburtstags-Einladung seiner früheren Professorin folgen, dann wird er sich womöglich anhören müssen, dass er sein Talent doch für ziemlichen Blödsinn verschleudert. Da kennt Ilse Storb kein Pardon.
Manche nennen sie die „Jazzmutter der Nation“ oder „Mutter Courage des Jazz“, für andere ist sie ein Trouble Shooter der Musik, eine Naturgewalt an der Talking Drum, die für ihre Anliegen so laut trommelt, dass kaum eine deutsche Talkrunde von Sandra Maischberger bis Frank Elsner auf Ilse Storb als Gast im Studio verzichtet hat, das sie dann verlässlich mit schrägem Witz und „Pata, Pata“-Rhythmus aufmischt. Heute wird Europas einzige Professorin für Jazzforschung, Bundesverdienstkreuzträgerin, Weltmusik-Expertin, Louis-Armstrong-Biografin und Dave Brubeck-Vertraute, Vitalitäts-Wunder und Streiterin für den Frieden 85 Jahre alt.
Kleines Karo ist nicht ihr Ding
„Love and Peace“ steht schon auf dem Türschild ihrer Wohnung, eine Mischung aus exotischer Musikbibliothek, Afrikamuseum und Storb’scher Wunderkammer. Kleines Karo ist nicht ihr Ding. Ilse Storb trägt wie so oft einen Kaftan mit großem Muster und eine Kette breit wie Stammesschmuck. Von der Terrasse der Bredeneyer Wohnung aus schaut man in den Garten, wo früher noch das Fachwerkhaus stand, in dem die kleine Ilse groß geworden ist. Der Vater war Volksschullehrer, die Mutter Pianistin. Von ihr hat sie nicht nur die Liebe zur klassischen Musik mitbekommen, sondern auch das, was sie bis heute bei vielen Geschlechtsgenossinnen vermisst: den Mut!
Zwei männliche Domänen hat sie damit früh gestürmt: den Jazz und den Universitätsbetrieb. Essen und das Ruhrgebiet sind ihre Heimat geblieben, auch wenn sie bis heute manchmal das Gefühl hat, „zu lebendig zu sein für Deutschland“. Sie hat in Paris an der Sorbonne studiert, ist mit Jazzpianist Dave Brubeck durch New York gebummelt und hat Louis Armstrong geküsst. Ihre Band, mit der sie seit Duisburger Unizeiten spielt, heißen natürlich die „Satchmos“. Und dass sie da mit lauter Kerlen Musik macht, haben ihr einige Frauen wiederum übel genommen. Storb findet sowas seltsam: „Als ich 1975 als Dekanin an der Uni Duisburg versucht habe, Konferenzen zu leiten, hat mir auch keine Alice Schwarzer geholfen.“
„Ich will mit Musik glücklich machen“
Ilse Storb ist Einzelkämpferin geblieben, auch wenn der Jazz ja nicht nur eine freiheitliche, sondern auch extrem partnerschaftliche Angelegenheit sei. Wenn sie sich an die erste Begegnung mit dieser Musik in der Berliner Philharmonie erinnert, glänzen die Augen. „So eine tolle, lebendige Musik muss Teil der Musikerziehung werden“, hat die Oberstudienrätin damals beschlossen, die mit einer Arbeit über Claude Debussy promovierte und sich mit einer Schrift über Dave Brubeck habilitierte. So entstand das legendäre Jazzlabor an der Universität Duisburg als Teil der Musiklehrerausbildung. Als in den 90ern Schließungs-Pläne die Runde machen, zieht sie protestierend bis vor den Landtag, das Aus kommt für sie der Zerstörung ihres Lebenswerks gleich.
Inzwischen hat Ilse Storb den Blick noch einmal geweitet. Das Labor für Weltmusik an der Folkwang Musikschule ist ihr neues Baby. Ein Ort, wo Musiker aus den Anden genauso Raum finden wie Indianer, Afrikaner, Syrer. „Wir brauchen die kulturelle Globalisierung“, sagt Ilse Storb, deren Enthusiasmus immer noch groß ist wie auch ihr soziales Engagement. Missionieren will sie trotzdem nicht, sagt sie, nur Menschen glücklich machen, mit Musik natürlich.
Irgendwann werden vielleicht auch ihre „Erotischen exotischen Geschichten aus aller Welt“ erscheinen, „aber da lass ich vorher besser den Steffen Hunder drauf gucken“, lacht Storb. Der Altstadtpfarrer ist einer ihrer Mitstreiter wie Henning Christoph vom Soul of Africa Museum oder Kazim Calisgan vom Katakomben-Theater. Sie wie die nicht minder streitbare Freundin Uta Ranke-Heinemann hat Ilse Storb am Donnerstag in die Folkwang Musikschule eingeladen. Es dürfte ein besonderer 85. Geburtstag werden.