Essen. Die erste deutsche Jazz-Professorin Ilse Storb wird 80 Jahre alt. Fast ein halbes Leben lang führt Deutschlands erste Jazz-Professorin den Titel „Jazzmutter der Nation”. Gefeiert wird ihr Geburtstag mit einem großen Festakt in der Essener Universität.

Sie gehört zu den Menschen, die einen Saal in ihren Bann ziehen können, sobald sie ihn betreten. Aus ihren Augen blitzt Energie, spätestens dann, wenn sie eine ihrer aparten Brillen abnimmt, die es locker mit den exaltierten Sehhilfen eines Elton John aufnehmen können. Ilse Storb aber brennt für eine etwas andere Musiksparte: Fast ein halbes Leben lang führt Deutschlands erste Jazz-Professorin den Titel „Jazzmutter der Nation”. Sie selbst aber vernimmt noch lieber den Ehrennamen „Indianerhäuptling großes Herz”, den ihr die Studenten verliehen haben.

Und so sehr sich Deutschlands große alte Dame des Jazz darüber freuen wird, dass ihr 80. Geburtstag am Donnerstag mit einem Festakt in der Essener Universität gefeiert wird – ähnlich stolz dürfte sie gemacht haben, dass die amerikanische Jazz-Legende Dave Brubeck ihr zum Geburtstag eine eigene Komposition gewidmet hat.

Geburtstagsständchen von Dave Brubeck

Helge Schneider wurde als
Helge Schneider wurde als "Goldenes Schlitzohr" ausgezeichnet - die Laudatio hielt Ilse Storb. (Bild: Ilja Höpping) © WAZ | WAZ





Und wie so viele andere wird heute Abend in Essen auch die Jazz-Sängerin Gitte Haenning Ilse Storb gratulieren, denn wenn eine herzerfrischend unakademische Jazz-Professorin Geburtstag feiert, darf ruhig ein bisschen Musik drin sein. Die hat Ilse Storb ein Leben lang begleitet. Beim Mittagessen in der Duisburger „Lindenwirtin” bietet die temperamentvolle und meistens unter Volldampf stehende Professorin zwischen dicken Spargelstangen viele Häppchen einer Lebensgeschichte, die ohne Musik gar nicht erst aufgetischt werden kann.

Ilse Storb, in Essen geboren, bekam recht früh eine Klavierausbildung und wurde von ihrer Mutter vehement unterstützt, an der Musikhochschule Köln zu studieren: „Kind, du studierst Musik, die bleibt dir! Die Kerle hauen sowieso immer ab.” Was folgte, war eine Dissertation über Claude Debussy und später noch eine Habilitation über den Jazz-Pianisten Dave Brubeck und sein Werk.

"Jazzlabor" als Erfolgsmodell

Aus dem Schuldienst wurde die junge Lehrerin Ilse Storb, deren außergewöhnliche Motivationsfähigkeiten sich rasch herumgesprochen hatten, an die damalige Pädagogische Hochschule in Duisburg berufen. 1971 gründete sie dort – inzwischen hatte sie den Jazz für sich entdeckt – mit dem Saxophonisten Joe Viera das in Deutschland einzigartige „Jazzlabor” als Teil der Musiklehrerausbildung.

Es wurde ein Erfolgsmodell. Doch alle Lobgesänge nützten am Ende nichts. Als zu Beginn der 90er Jahre aus Geldmangel an der Universität Fachbereiche aufgelöst oder zusammengelegt wurden, ging das „Jazzlabor” zwischenzeitlich in ein „Zentrum für Musik und Kunst” über, in dem Studenten freizeitlich musizieren durften. Als auch dieses dann geschlossen wurde, flogen endgültig die Fetzen: „Ilse Storb enterbt Uni” titelte damals die WAZ. Die kinderlose Musikpädagogin hatte ihrer früher so geliebten Hochschule ursprünglich die Summe von einer Million Mark für die Musikausbildung vermacht. Voller Zorn machte sie das Vermächnis rückgängig.

Bunter Paradiesvogel




Ilse Storb, heute als Pensionärin im Dienste der Völkerverständigung und des Jazz unterwegs, wurde auch durch ihre öffentlichen Auftritte populär. So sprengte sie buntgewandet und provokativ die Fernseh-Show von Stefan Raab, in der sie unter „Pata, Pata”-Rufen zum gemeinsamen Trommeln aufrief. Sie küsste gerne, war auch im Hörsaal immer auf Sendung und glänzte als bunter Paradiesvogel im grauen Reich der nüchternen Akademiker.

Stolz ist sie auf ihr Engagement in Grundschulklassen, in denen sie den Kindern mit viel Enthusiasmus frühe Liebe zur Musik vermitteln will. Zudem ist Ilse Storb gefragter Gast bei Workshops und setzt sich auch international für Frieden und Menschenrechte ein. Wenn sie auf ihr Leben zurückblickt, hält sie fest: „Ich bin in zwei Männerdomänen eingebrochen. Einmal in die Welt der Professoren und dann noch in die des Jazz.”

Sagt's, und verabschiedet sich mit einem Zitat von Louis Armstrong. „Ich liebe es, die Menschen glücklich zu machen.”