Warum die Grüne Hauptstadt viele Essener seltsam unberührt lässt
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Essen. . Essen ist im Finale um den Titel Grüne Hauptstadt Europas 2016. Doch während die Umweltdezernentin Simone Raskob mit Begeisterung an einer Präsentation arbeitet, bleiben die meisten Bürger seltsam unberührt. Nun griff sogar Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß zur Schüppe, um das zu ändern.
Die Bewerbung ist fast 200 Seiten stark und faktensatt: Da ist die CO2-Bilanz der Stadt ausgewiesen, da werden Weichholzauenwälder und Glatthaferwiesen aufgelistet und von der Auszeichnung „recyclingspapierfreundlichste Stadt Deutschlands“ ist die Rede, mit der sich Essen schmücken darf. Die Jury im Wettbewerb um den Titel „Grüne Hauptstadt Europas 2016“ hat das offenbar überzeugt: Essen darf sich in der Finalrunde am 23. Juni in Kopenhagen von seiner grünen Seite präsentieren.
Doch während Umweltdezernentin Simone Raskob mit glühender Begeisterung von dem Projekt spricht und seit Wochen „Tag und Nacht“ an der Präsentation arbeitet, lässt der Titelkampf die meisten Bürger seltsam unberührt. Die Vision von besserer Luft und längeren Radwegen scheint zu vage, darum rief Raskob unlängst den „Green Capital Day“ ins Leben, um den Grünen-Hauptstadt-Gedanken erlebbar zu machen. Am Isenbergplatz, einem eigenwilligen Bio- und Soziotop im Südviertel. Hier gruppieren sich um einen Spielplatz Wohnhäuser und Cafés, hier treffen Nachbarn auf Nachteulen.
Essens Oberbürgermeister griff zur Schüppe
Sie wollte Raskob an einem Freitag Ende Mai an die Schüppe bekommen, um den schönen Platz schöner zu machen. 2500 Postkarten wurden im Vorfeld an Anwohner verteilt, Schulen wie Gastronomen angesprochen. In aller Frühe rückten Azubis von Grün & Gruga an, begleitet von einem Kamera-Team, das Bilder für den Image-Film einfing, mit dem sich Essen in Kopenhagen bewerben will.
Unter fachlicher Leitung entfernten rund 150 Bürger Aufkleber von Laternenmasten, reinigten Tischtennisplatten, pflanzten Rhododendren. Ein Malus-Baum – Baum des Jahres 2013 – wurde gesetzt, auf dem Spielplatz wurde der Sand ausgetauscht, Laub gefegt, die Spielzeugkiste erneuert. Auch Oberbürgermeister Reinhard Paß und Dezernentin Raskob packten eine Stunde lang mit an. Sie habe mit Kindern ein Baumbeet bepflanzt, sagt Raskob und schwärmt vom Duft von Minze und Thymian.
Der Isenbergplatz
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Hunde machten ins Kräuterbeet
„Schon am Abend haben die ersten Hunde in das Kräuterbeet gemacht“, sagt Sven Dülfer trocken. Er ist Betreiber des De Prins und hat viel zum Ruhm des Platzes beigetragen. Aber nur als Staffage für den Imagefilm wollte er seine Kneipe nicht öffnen: „Wir machen immer erst um 16 Uhr auf.“ Dülfer ist kein Verhinderer und er findet, dass die neuen Sträucher schon „nett“ aussehen; bloß hat er den Aktions-Tag anfangs für eine Wahlkampfveranstaltung gehalten. „Die Leute hier im Viertel müssen eigentlich nicht von oben angeleitet werden, die machen hier immer was – aus sich heraus.“
Solcher Bürgersinn dürfte Raskob gefallen, lautet ihre Botschaft doch: „Was wir in sechs Stunden am Isenbergplatz erreicht haben, schaffen wir im Grüne-Hauptstadt-Jahr in der ganzen Stadt.“
Europa in Essen von A bis Z
A wie Altendorf
Der Stadtteil kämpft mit zahlreichen Problemen wie Drogenhandel, hoher Jugendarbeitslosigkeit und zunehmender Verelendung. Im Rahmen des EU-Förderprogramms „Soziale Stadt“ flossen acht Millionen Euro von Brüssel in den Stadtteil. Eines der EU-Projekte ist der Krupp-Park mit Teich und Bühne.
B wie Bildungs-Scheck
Jährlich erhalten Hunderte Essener diese Möglichkeit zur beruflichen Weiterbildung. Das Land übernimmt die Hälfte (höchstens 2000 Euro pro Scheck) der Kosten. Die Mittel stellt der Europäische Sozialfonds bereit. Die VHS Essen ist Beratungsstelle für den Bildungsscheck. Das Angebot richtet sich u.a. an Unternehmer, Existenzgründer und Berufsrückkehrer. E-Mail an: weiterbildungsberatung@vhs.essen.de
C wie Creative Spin
Creative Spin nennt sich ein ehrgeiziges EU-Projekt, das in der nördlichen City mithilft, ein Kreativquartier zu entwickeln. Unperfekthaus und Generationenkult-Haus, Kreuzeskirche und immer mehr Ateliers sind die Visitenkarten des Kreativquartiers. „Man kann in Essen spüren, dass Europa in diesem Viertel lebendig ist“, sagt Alfons Wafner vom Kulturbüro. Neben Essen erarbeiten zehn weitere europäische Städte einen Aktionsplan zur Schaffung von Kreativquartieren.
D wie Drei Schleier der Europa
Das trinationale Tanzprojekt (deutsch-französisch-polnisch) wurde in den Jahren 2008 bis 2010 von Brüssel mit 125 000 Euro gefördert. Es unterstreicht die Ausnahmestellung des Werdener Gymnasiums. Es ist das einzige in Deutschland, das über eine eigene Tanzabteilung verfügt und Tanzen als Abiturfach anbietet Durch das Projekt sind Essener Tanzschüler ins Ausland gekommen, einige haben dort sogar eine dauerhafte Beschäftigung gefunden.
E wie Emscher-Renaturierung
Die Umwandlung des müffelnden Abwasserkanals in einen sauberen Fluss - das sucht in Europa seinesgleichen. Dank der EU-Wasserrichtlinie erhält die brutal begradigte Emscher ihr altes Bett zurück. Mehr noch: Der milliardenteure Masterplan von 2006 sieht vor, dass die Abwässer in unterirdischen Röhren verschwinden. Die Emschergenossenschaft in Essen erhielt aus dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung bislang 38 Mio Euro.
F wie Forschung
Die EU-Forschungsförderung wird auch für Wissenschaftler der Uni Duisburg-Essen immer wichtiger, betont EU-Referent Jörn Möltgen. Von 2007 bis 2013 habe die UDE 32,8 Millionen Euro aus dem 7. EU-Forschungsrahmenprogramm erhalten. Das Team des „Science Support Center“ navigiert die Wissenschaftler durch das Dickicht des EU-Förder-Dschungels.
G wie Grüne Hauptstadt Europas 2016
Schon im ersten Anlauf das Finale erreicht zu haben, ist für Essen eine Sensation. Weitere Bewerber: Oslo, Umea, Nijmegen und Ljubljana. Die Essener Trümpfe: Die Ruhrmetropole macht beispielhaft vor, wie alte Industrie-Areale, Zechenbahnen und Wasserstraßen in grüne Oasen und Freizeitparadiese verwandelt werden.
H wie Hauptschule am Stoppenberg
Sie ist seit dem 11. März 2011 eine von zwölf Europaschulen in Essen. Damit hat Essen die meisten zertifizierten Europaschulen in Nordrhein-Westfalen – von der Grundschule bis zum Europakolleg. Europaschule – das bedeutet in der Regel: mehr EU auf dem Stundenplan, Schulpartnerschaften, individuelle Auslandsaufenthalte und ein besonderes Fremdsprachenprofil.
I wie Informationen über Europa
Das „Europe Direct Center“ in der VHS am Burgplatz versorgt interessierte Bürger mit Broschüren, außerdem gibt’s regelmäßig Veranstaltungen. Sehenswert: die Internet-Präsentation europa.essen.de. Lohnenswert: der Newsletter zum Abonnieren. Zuschuss aus Brüssel: 25 000 Euro. Unser Bild zeigt die Europabeauftragte der Stadt Petra Thetard, die das Europe Direct leitet.
J wie Jobcenter
Heike Ufermann wirbt bei jungen Zuwanderern für die von der EU geförderten Sprachkurse. „Ohne die Unterstützung aus Brüssel hätten wir keine Möglichkeit, solch ein Projekt auf die Beine zu stellen“, sagt sie in einem Videoclip. Die Integration von Migranten, in den Arbeitsmarkt funktioniere besser, wenn sie Deutsch sprechen.
K wie Kulturhauptstadt Europas
Das Spektakel – hier das „Stillleben A40“ – liegt schon vier Jahre zurück, aber die Anziehungskraft auf Touristen hat sich als nachhaltig erwiesen. 2013 hatte Essen 1,4 Millionen Übernachtungsgäste. Für den spürbaren Zuwachs sorgten in erster Linie ausländische Essen-Besucher.
L wie Lernkumpane
So nennen sich Teilnehmer der VHS-Schulabschlusskurse, die jährlich mehr als 400 Essener mit Erfolg absolvieren. Fachbereichsleiterin Heike Hurlin freut sich über die EU-Förderung: „Andernfalls wären diese jungen Erwachsenen auf die Sozialsysteme angewiesen.“
M wie Margarethenhöhe
Die denkmalgeschützte Gartenstadt, 1909 errichtet und nach Margarethe Krupp benannt, gilt als Musterbeispiel für menschenfreundlichen Siedlungsbau. Um nun die „energetische Ertüchtigung“ voranzubringen, sind EU-Mittel für die erforderliche Studie beantragt worden.
N wie Niederfeldsee
Diese Ecke im Stadtteil Altendorf mit einstmals spartanischem Wohnungsbau, geschwärzten Fassaden und hohem Bahndamm zählte nicht gerade zu den besten Adressen der Stadt. Heute hat sich das Bild völlig gewandelt. Uferviertel nennt sich das runderneuerte Vorzeigequartier mit dem L-förmigen Niederfeldsee, schicken Appartementhäusern mit Penthouse-Wohnungen und einem Radweg, der am Krupp-Park vorbei bis ins Uni-Viertel führt. EU-Förderung: 1,7 Millionen Euro.
O wie Obst für Schulen
16 Essener Schulen nehmen an EU-Schulobstprogramm teil. Schulkinder lernen auf diese Weise, sich gesund zu ernähren. Fünf mal am Tag sollte man Obst und Gemüse essen.
P wie Parkautobahn
Dieses außergewöhnliche Projekt des Kulturhauptstadtjahres 2010 hat den Strukturwandel im Ruhrgebiet für Autofahrer er-fahr-bar gemacht. Über die A42 können Leuchttürme der Industriekultur, darunter die Zeche Zollverein, Tetraeder Bottrop, Gasometer Oberhausen und Zeche Nordstern bequem erreicht werden. Wo sich einst die Förderräder der Zechen drehten und Schlote rauchten, bewegen sich die Besucher heute in einer einzigartigen Parklandschaft. Das innovative Projekt „Parkautobahn“, gefördert mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, hat auch bei der Fachwelt einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Q wie Quartiersmanagement
Die EU fördert benachteiligte Stadtteile wie Altendorf. Das Quartiersmanagement sorgt dafür, dass möglichst viele Menschen, Vereine, Kaufleute und Organisationen im Stadtteil mitreden, wenn sich vor ihrer Haustür etwas ändern soll. Im Stadtteil hat die Verwaltung eigens dafür ein „Stadtumbau-Büro“ eingerichtet. Es befindet sich im „Blickpunkt 101“ auf der Haus-Berge-Straße 101. Weitere Büros existieren in Altendorf und Katernberg. Ein neues ist geplant in Altenessen-Süd/Nordviertel. Möglicherweise fließen auch dorthin demnächst Fördermittel aus dem EU-Strukturfonds. „Dieses Brüsseler Geld macht solche nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklungen erst möglich“, sagt Stefan Schwarz, Leiter des Amtes für Stadterneuerung.
R wie Rheinische Bahn
Einst schoben laute Güterzüge ihre schwere Fracht über die Trasse der Rheinischen Bahn. Künftig wird sie von Radfahrern als „Autobahn“ genutzt. Die ersten fünf Kilometer in Essen sind bereits befahrbar. Beeindruckend: die rote Brücke über der Helenenstraße. EU-Fördermittel für die „Rheinische Bahn“ gingen an den Regionalverband Ruhr.
S wie Seminare
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat die Stadt Essen 2013 als europaaktive Kommune mit dem „Sonderpreis für besonders gute europäische Bildungsarbeit“ ausgezeichnet. Als EU-Bildungsstandort bietet das Europabüro zwölf verschiedene Seminare rund um das Thema EU an. Was so unspektakulär klingt, ist für viele Teilnehmer eine riesengroße Hilfe. Denn um in den Genuss von EU-Fördermitteln zu gelangen, müssen die Rathäuser meistens selbst aktiv werden. Weil aber meistens schon das Basiswissen fehlt, um einen Antrag korrekt auszufüllen, füllen die modulhaft konzipierten Essener EU-Seminare eine wichtige Marktlücke: essen.de/eu-seminare
T wie Tampere
Mit der finnischen Partnerstadt Tampere sollen bald gemeinsam EU-Förderprojekte angegangen werden. Da Essen seit 2013 Mitglied im europäischen Netzwerk „Eurocities“ ist, wird diese Entwicklung noch beschleunigt. Dies gilt auch für die anderen Partnerstädte Grenoble (Frankreich) und Sunderland (Großbritannien). „Eurocities“ ist ein Netzwerk größerer Städte, das hauptsächlich dem Informationsaustausch dienen und kommunale Interessen gegenüber der EU durchsetzen will.
U wie Uni-Klinik
Die Medizinische Fakultät wurde von 2007-13 mit 5,88 Mio Euro für 15 Projekte gefördert, wie etwa „Neobrain“. Die Essener Wissenschaftler erforschen, wie eine gestörte Gehirnentwicklung bei zu früher Geburt frühzeitig erkannt werden kann. Ein weiteres Beispiel: das EU-Netzwerk zur Krebsforschung für Kinder und Jugendliche.
V wie Volkshochschule
Die VHS ist sehr aktiv in Sachen Europa. Zur Europawahl gab’s bereits einen Workshop und einen Bürgerdialog. 2013 veranstaltete die VHS ein zweitägiges Seminar mit namhaften Wissenschaftlern zur „Finanzkrise“. Standard ist die Reihe „Aus der Ferne – aus der Nähe“, in der die europäischen Nachbarn vorgestellt werden. Exzellent vernetzt in europäischen „Second Chance“-Projekten ist der Fachbereich Schulische Weiterbildung. Daher will Essen die erste deutsche Europa-VHS werden.
W wie Wählen
460 000 Essener sind am 25. Mai aufgerufen, das neue Europaparlament zu wählen. Obwohl Europa viel Gutes tut für Essen, ist die Wahlbeteiligung stetig gesunken. 2009 (Bild) gaben nur noch 38,1 Prozent ihre Stimme ab. Diesmal könnte die Wahlbeteiligung etwas höher liegen, weil am selben Tag auch Kommunalwahl ist.
Y wie Youth in Action
Das internationale Jugendtreffen der Essener Partnerstädte (Nishnij Nowgorod, Grenoble, Tampere, Tel Aviv) stand im letzten Sommer unter dem Motto „Original? In my own shoes!“. In Workshops im Emil-Frick-Haus wurden eine Ausstellung und eine Performance erarbeitet. Wie auch in den Jahren davor förderte die EU dieses Treffen. Die Teilnehmer sollen Berührungsängste abbauen und die kulturelle Vielfalt Europas schätzen lernen.
X wie Xenos - Integration und Vielfalt
Xenos ist das Bundesprogramm, mit dem das Projekt „POP Altendorf“ gefördert wird. Die zweite Fördersäule ist der Europäische Sozialfonds. Das Ladenlokal Altendorfer Straße 239-245 ist Anlaufstelle für Jugendliche, die als benachteiligt gelten und/oder schon mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. 77 meistens junge Menschen aus Einwandererfamilie haben die Streetworker von „POP Altendorf“ schon von der Straße geholt. Ihr Ziel ist, Vertrauen zu den Jugendlichen aufzubauen und ihnen dauerhaft eine sinnvolle Beschäftigung anzubieten.
Z wie Zollverein
Die schönste Zeche der Welt ist heute Weltkulturerbe. Was der Eiffelturm für Paris ist der markante Doppelbock-Förderturm am Schacht XII für Essen: das Wahrzeichen der strukturgewandelten Stadt. Die Kohlenwäsche beherbergt das Ruhrmuseum, die Kokerei mit den schlanken Schornsteinen dient zurzeit als Ort für die 1914-Weltkriegsausstellung. Keine Einrichtung in Essen hat so sehr von der EU profitiert wie Zollverein. Brüssel gab insgesamt 87 Millionen Euro.
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