Essen. . Nach dem Verschwinden eines Häftlings prüft das Justizministerium ein mögliches Dienstvergehen. Staatsanwaltschaft geht Verdacht einer Gefangenenbefreiung nach.
Die bislang erfolgreiche Flucht eines Häftlings in Karnap hat ein behördliches Nachspiel – sowohl für die beiden Bewacher, dem der 27-Jährige am Dienstag während eines Besuches bei seiner krebskranken Mutter entkommen konnte, als auch für die Familie des wegen bandenmäßigen Diebstahls verurteilten Mannes.
Es werde geprüft, ob die beiden Justizbeamten Fehler gemacht haben, bestätigte Detlef Feige, Sprecher im Justizministerium, gestern. Noch sei offen, ob ein dienstrechtliches Vergehen vorliege. Zudem ermittele die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer möglichen Gefangenenbefreiung. Es sei nicht auszuschließen, dass Angehörige den Häftling bei der Flucht aus dem Haus der Mutter an der Arenbergstraße unterstützt haben könnten.
Suche blieb bislang ohne Erfolg
Nach einer Anhörung der beiden Justizbeamten, die den Mann zwecks „Ausführung“ von der Justizvollzugsanstalt Willich nach Karnap chauffierten, kann das Justizministerium inzwischen recht gut nachzeichnen, was sich am Dienstagmittag in dem kleinen Zechenhäuschen der polnischstämmigen Familie abspielte, sagte Feige. Um kurz nach 13 Uhr sei der Häftling in Handschellen vor dem Bauch in das Haus geführt worden. Neben der Mutter waren drei weitere Familienmitglieder anwesend. Durch den Hausflur sei man gemeinsam „in den Essbereich“ gegangen, wo sich auch die Justizbeamten niederließen.
Nach etwa einer halben Stunde sei der Häftling aufgestanden und habe sich mit seinem Bruder, der ihn „ein bisschen verdeckte“, im Hausflur unterhalten. Als der 27-Jährige plötzlich nicht mehr zu sehen war, habe sein Bruder erklärt, er sei kurz auf der Gästetoilette neben dem Hauseingang. Mit dieser Auskunft gaben sich die Bewacher offenbar zufrieden. Erst „nach drei bis vier Minuten“ wurden sie argwöhnisch und schauten auf dem Klo nach. Da war ihr Schützling bereits über alle Berge.
Erfolglose Suche
Die beiden Beamten suchten die Hausumgebung erfolglos ab. Dann alarmierten sie die Polizei in Essen und Gelsenkirchen, die seitdem ohne Erfolg nach dem etwa 1,82 Meter großen und schlanken Mann fahndet, der polnisch und deutsch spricht. Er hat dunkelblondes Haar, einen leichten Vollbart, blaue Augen, eine Narbe hinter dem linken Ohr und ein „volles“ Gesicht. Bei seinem Verschwinden trug der 27-Jährige, der als depressiv aber nicht gefährlich gilt, einen schwarzen Trainingsanzug mit goldenen Streifen. Hinweise unter 829-0.