Essen.. Sebastian Siebrecht ist Essens einziger Großmeister. Während der „Schachwoche Essen“ in Altenessen wirbelt der Bundesligaspieler der Sportfreunde Katernberg als Motivator, Trainer und Event-Manager. Besonders engagiert er sich für Grundschüler und fordert: Schach soll Schulfach werden.

Die 4a der Karl-Schule hatte an diesem Dienstagmorgen schon Deutsch, Wochenplanarbeit und Sachunterricht. Jetzt steht für Chiara und Charleen, Alem und Özge, Milan und The Anh etwas ganz Neues auf dem Stundenplan: Schach - das alte Spiel der Könige. Ebenso ungewöhnlich ist der Ort dieses spielerischen Rendezvous: das „Allee-Center“ in Altenessen.

Sebastian Siebrecht, der Essener Großmeister, ein charmanter Schach-Besessener und innovativer Unternehmer, ist hier ganz in seinem Element. „Ich will Schach rausholen aus den Hinterzimmern von Kneipen, ich will Schach als Erlebnissport kreieren, ja, es soll ein Schulfach werden“, sagt er. Mitten im Erdgeschoss, zwischen Boutiquen und Bäckerei, zwischen Juwelier und Donuts-Laden, hat Siebrecht für die „Schachwoche Essen“ einen Turniersaal eingerichtet: Biertischgarnituren mit 15 Brettern, ein Magnetschach und ein Gartenschach - natürlich auf einem eigens ausgerollten Belag aus schwarz-weißen Feldern.

„Wer von Euch hat’s schon mal gespielt?“, fragt der Großmeister, und einige Karl-Schüler recken fingerschnipsend die Arme hoch. Dann, halb Pädagoge und ein bisschen Märchenonkel, sagt er: „Das Schachbrett müsst Ihr euch vorstellen wie eine Ritterburg, in den Ecken stehen die Wachtürme und mittendrin das Königspaar.“

Sarah Jordan, die Klassenlehrerin, fasziniert, wie schnell der Meister seine kleinen Lehrlinge in den Bann zieht. „Diese Schnupperstunde gibt einen tollen Impuls, nun kommt’s auf die Schüler an, selber aktiv zu werden“, sagt sie. Und fügt seufzend hinzu, welch monströser elektronischer Reizüberflutung ihre 26 Schüler, davon zwei Drittel mit Migrationshintergrund, ausgesetzt sind. Bezeichnend: Gut die Hälfte ihrer Viertklässler besitzt längst ein Smartphone, da ist elektronische Dauer-Berieselung garantiert.

Genau hier will Siebrecht, der Weltverbesserer, ansetzen. „Denken macht Spaß“, hält er dagegen, und betont: „Schach schult nachweislich die Konzentrationsfähigkeit, fördert vorausschauendes Denken und ist extrem integrativ.“

Jetzt rauschen Damen, Türme und Läufer über die 64 Felder, so mancher ist plötzlich schachmatt - und trotzdem glücklich. Die Münsterschüler, die nun an der Reihe sind, kennen das Brettspiel schon von der Schach AG. Tristan greift sich beherzt den Springer, jagt ihn Haken schlagend übers ganze Brett, und ringt dem Meister („Klasse!“) ein dickes Lob ab.

Sarah Jordan und ihre 4a hat Siebrecht offenbar heftig mit dem Schach-Virus infiziert. Denn sie sagt: „Wir überlegen, demnächst eine Schach-AG einzurichten, eine Lehrerin ist interessiert. Wir sind eine aktive Schule.“

Schachturnier für Essener Grundschulen

Sebastian Siebrecht ist eine imposante Erscheinung. Allein schon wegen seiner Basketballer-Statur: Der Champion misst 2,02 Meter und nennt sich deshalb „längster Großmeister der Welt“. Der Tausendsassa ist Bundesligaspieler und Trainer, er gibt Seminare und betätigt sich als kommerziell erfolgreicher „Schach-Entertainer“.

Wenn die Grundschüler nachmittags ihre Hausaufgaben erledigen, wirbelt Siebrecht bis 20 Uhr im „Allee-Center“ weiter. Er spielt Blitzschach (fünf Minuten Bedenkzeit) und Handicap-Partien (Siebrecht hat nur eine Minute Bedenkzeit, der Gegner hingegen fünf) oder fordert auf zum Simultan („Schlag den Großmeister“).

Das Outfit belegt seine Wandlungsfähigkeit. Im Einkaufscenter trägt er eine lässige olivfarbene Outdoor-Hose, dazu ein schwarzes Polo-Shirt mit dem Slogan „Faszination Schach“. „Zu anderen Schach-Events komme ich auch im schicken Anzug.“ Stolz ist er auf ein Turnier, das er vor fünf Jahren aus der Taufe hob und zum Erfolg führte: das Schachturnier für Essener Grundschulen. Nahmen 2009 noch 15 Schulen teil, sind’s jetzt 32 mit über 200 Kindern. Als Sponsor fungiert die Sparkasse, die, den Werbeeffekt des Königlichen Spiels („Ein Zug voraus“) zu schätzen weiß. Am 25. Juni steigt in der Andreasschule Rüttenscheid das 6. Sparkassen Schachturnier.