Essen. . Saubere Schultoiletten sind ein Thema im Essener Kommunalwahl geworden. Die Essener SPD wirbt mit dem Spruch „Saubere Schultoiletten sind kein Luxus!“ Die CDU hat ein durchaus provokantes Motiv für ihr Wahlplakat gewählt – und erntet damit nicht nur Zustimmung.

Vor knapp zwei Jahren stellte die Stadtverwaltung eine Bestandsaufnahme vor, wie es um die Essener Schulklos bestellt ist. Ergebnis: Ein Schulklo wird in Essen im Schnitt 35 Jahre alt, die meisten Anlagen seien nicht toll, aber baulich in Ordnung, und Hygienemängel haben viel mit dem richtigen Verhalten der Benutzer zu tun. So weit, so schlecht.

Jetzt gewinnt das Thema an neuer Dynamik, denn: Es ist Wahlkampf. Die Essener SPD wirbt mit dem Spruch „Saubere Schultoiletten sind kein Luxus!“ Sie hatte bislang mit ihrem Vorschlag, flächendeckend einen zweiten Reinigungs-Intervall einzuführen, keinen Erfolg. Regelrecht provokant geht die CDU jetzt vor und hat großformatig im Stadtgebiet plakatieren lassen: „Erneuern statt scheuern!“ Ein Bild zeigt eine abstoßend verschmierte Toiletten-Anlage. 35-Mal ist dieses Motiv derzeit zu sehen.

Der dürftige Zustand von Essens Schultoiletten sei „Realität“

Ist das tatsächlich ein echtes Essener Schulklo? „Diese Frage muss offen bleiben, wir wollen niemanden bloßstellen“, sagt Norbert Solberg, der Geschäftsführer des CDU-Kreisverbands. Der dürftige Zustand von Essens Schultoiletten sei „Realität“, deshalb habe man sich für dieses Schwerpunkt-Thema entschieden. CDU-Spitzenkandidat Thomas Kufen räumt ein: „Das Plakat ist sicher eine Zuspitzung, doch es ist ein Thema, das die Menschen bewegt.“

Zuletzt beschlossen: „Sanierungsquote“ wird erhöht

Der Rat hat in seiner letzten Sitzung mit den Stimmen u.a. von SPD und CDU beschlossen, dass die „Sanierungsquote“ von 2,8 auf 5 Prozent erhöht wird. Dabei war die CDU einem Antrag der SPD gefolgt.

Der Beschluss bedeutet: Rund fünf von 100 Toiletten-Anlagen sollen künftig jährlich erneuert werden, nicht mehr, wie bislang in den vergangenen zehn Jahren, nur 2,8. Es handelt sich um einen rein statistischen Wert.

Auf Essener Stadtgebiet gibt es rund 400 Schulklo-Anlagen.

Mittags an der Altenessener Straße: Die Schülerinnen Celina (13), Jenni (14) und Esther (12) schlendern an dem Ekelklo-Plakat entlang. „Das ist aber echt übertrieben widerlich“, sagen sie. „So schlimm sieht’s an unserer Schule aber nicht aus.“ Sie besuchen alle drei die Gesamtschule Nord in Vogelheim. Wenig später schaut sich eine Zwölfjährige das Plakat an, die zur Gertrud-Bäumer-Realschule in Altenessen geht: „Dieses Bild ist zu ekelig. Unsere Klos sind so schlimm nicht.“

Ein Polizeibeamter (51), der im Sportdress zum Dienst radelt, bleibt stehen und sagt: „Schockierend finde ich dieses Bild nicht. Es zeigt doch nur die Realität.“ Eine Rentnerin (75), die einen Kinderwagen über den Zebrastreifen schiebt, meint: „Appetitlich ist das nicht, aber wenn die Klos nun mal so aussehen – dagegen muss man was machen.“

Friseur Mustapha Mustapha (24), der gleich gegenüber vom Plakat-Standort ein Geschäft betreibt, sagt: „Das schockt mich nicht. Mich stört das auch nicht. Wenn die Toiletten nun mal so aussehen!“ Und Mutter Anke Schröer aus Katernberg findet das drastische Plakat richtig: „Bei meinem Sohn auf der Realschule ist das ein Thema, und es war auch schon ein Thema in der Grundschule.“

Hashtags und Katzen - Was uns die Wahlplakate sagen wollen

Für die CDU Essen ist das Internet längst kein Neuland mehr. Hier werden sogar Hashtags verwendet, ob sie nun Sinn ergeben oder nicht.
Für die CDU Essen ist das Internet längst kein Neuland mehr. Hier werden sogar Hashtags verwendet, ob sie nun Sinn ergeben oder nicht. © Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Auch die Sparkasse stellt sich offensichtlich zur Wahl. Jedenfalls erinnert das biedere Plakatmotiv, mit dem die Bochumer SPD auf Stimmenfang geht, frappierend an die Fernsehspots der Bank.
Auch die Sparkasse stellt sich offensichtlich zur Wahl. Jedenfalls erinnert das biedere Plakatmotiv, mit dem die Bochumer SPD auf Stimmenfang geht, frappierend an die Fernsehspots der Bank.
Tiere gehen ja immer. Und Katzen ja sowieso. Noch mehr Aufmerksamkeit geht nur mit Katzen hinter Gittern. Chapeau, liebe Grüne in Gladbeck! Das Plakat ist zwar nicht originell, aber man guckt unwillkürlich hin.
Tiere gehen ja immer. Und Katzen ja sowieso. Noch mehr Aufmerksamkeit geht nur mit Katzen hinter Gittern. Chapeau, liebe Grüne in Gladbeck! Das Plakat ist zwar nicht originell, aber man guckt unwillkürlich hin. © Lutz von Staegmann / WAZ FotoPool
Klingt ein bisschen wie frisch aus dem Bullshit-Bingo-Generator, was die CDU Rees sich da auf die Fahnen, respektive aufs Wahlplakat geschrieben hat:
Klingt ein bisschen wie frisch aus dem Bullshit-Bingo-Generator, was die CDU Rees sich da auf die Fahnen, respektive aufs Wahlplakat geschrieben hat: "Gemeinsam Zukunft unternehmen." Wenigstens tritt man damit niemandem auf die Füße.
Das haben sich wohl auch die Wittener Sozialdemokraten gedacht. Sie plakatierten fröhlich
Das haben sich wohl auch die Wittener Sozialdemokraten gedacht. Sie plakatierten fröhlich "Frohe Ostern!" Das hilft zwar nicht bei der Wahlentscheidung, kommt aber besser an als der trockene "Raus aus den Schulden"-Slogan der örtlichen CDU. © Thomas Nitsche
Mit derart banalen Slogans geben sich die Piraten nicht ab, hier geht es um knallharte Inhalte - und irgendwas mit Internet:
Mit derart banalen Slogans geben sich die Piraten nicht ab, hier geht es um knallharte Inhalte - und irgendwas mit Internet: "Update für Essen". © Sebastian Konopka
"Never change a winning team!", scheint das Motto der Marxisten zu sein. Auf welchem Listenplatz stehen die abgebildeten Jungs wohl? © Thomas Nitsche
Haben sie das versteckte Thema auf diesem Wahlplakat erkannt? Es geht um Nachhaltigkeit. Denn dieses Motiv, da können Sie sicher sein, kann man auch zur nächsten Wahl noch verwenden. Und zur übernächsten und zur...
Haben sie das versteckte Thema auf diesem Wahlplakat erkannt? Es geht um Nachhaltigkeit. Denn dieses Motiv, da können Sie sicher sein, kann man auch zur nächsten Wahl noch verwenden. Und zur übernächsten und zur... © Lut von Staegmann / WAZ FotoPool
Ihr lebt also Bochum, liebe CDU. Und der Wähler so: Hä? Aber immerhin schön, dass jeder von euch auf dem Plakat Platz gefunden hat.
Ihr lebt also Bochum, liebe CDU. Und der Wähler so: Hä? Aber immerhin schön, dass jeder von euch auf dem Plakat Platz gefunden hat. © Olaf Ziegler / WAZ FotoPool
Die Botschaft der Genossen in Gelsenkirchen lautet: Frank! Nicht verstanden? FRANK! Wenn es einer richten kann, dann er, Frank Baranowski. Da muss den Konkurrenten erst mal was besseres einfallen!
Die Botschaft der Genossen in Gelsenkirchen lautet: Frank! Nicht verstanden? FRANK! Wenn es einer richten kann, dann er, Frank Baranowski. Da muss den Konkurrenten erst mal was besseres einfallen! © Martin Möller / WAZ FotoPool
"Wachstum" und "Arbeit" steht auf deren Plakaten. Schon mal nicht schlecht, aber ein Schlagwort aus dem Standard-Repertoire der CDU fehlt noch, oder? © Martin Möller / WAZ FotoPool
Richtig:
Richtig: "Sicherheit", das haben dann die Essener Christdemokraten verwertet. © Gerrit Dorn
Und irgendwas mit Kindern. Geht ja auch immer.
Und irgendwas mit Kindern. Geht ja auch immer. © Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Und wer sonst nichts zu sagen hat, der plakatiert seine Stars aus der ersten Reihe. Ob sie nun Angela Merkel heißen (in Oberhausen), ...
Und wer sonst nichts zu sagen hat, der plakatiert seine Stars aus der ersten Reihe. Ob sie nun Angela Merkel heißen (in Oberhausen), ... © Tom Thöne / WAZ FotoPool
...Sahra Wagenkneckt (in Gladbeck) oder...
...Sahra Wagenkneckt (in Gladbeck) oder... © Lutz von Staegmann / WAZ FotoPool
...Hans-Josef Winkler (in Wattenscheid. Wer? Ach, egal.
...Hans-Josef Winkler (in Wattenscheid. Wer? Ach, egal.
Das Essener Bürgerbündnis steht für die Extreme. Nicht unbedingt politisch, aber bei der Gestaltung seiner Plakate. Entweder, wie hier, Bleiwüste ohne Köpfe oder...
Das Essener Bürgerbündnis steht für die Extreme. Nicht unbedingt politisch, aber bei der Gestaltung seiner Plakate. Entweder, wie hier, Bleiwüste ohne Köpfe oder... © Gerrit Dorn
...alle Köpfe, derer man habhaft werden konnte. Dieses Motiv beinhaltet eine Spielidee: Wer zuerst vier nebeneinanderliegende Schnurrbärte findet, ruft Bingo! und gewinnt.
...alle Köpfe, derer man habhaft werden konnte. Dieses Motiv beinhaltet eine Spielidee: Wer zuerst vier nebeneinanderliegende Schnurrbärte findet, ruft Bingo! und gewinnt. © Gerrit Dorn
Nicht schlecht, liebe SPD, ihr könnt ja sogar kontextsensitive Plakatierung: Das Plakat zum bezahlbaren Wohnraum hängt an einem Baugerüst in Essen-Rüttenscheid.
Nicht schlecht, liebe SPD, ihr könnt ja sogar kontextsensitive Plakatierung: Das Plakat zum bezahlbaren Wohnraum hängt an einem Baugerüst in Essen-Rüttenscheid. © Gerrit Dorn
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