Essen. Immer mehr Senioren werden Opfer von professionellen Trickbetrügern, warnt die Polizei Essen – und appelliert nun an die „echten Enkelkinder“, den Großeltern zu helfen. Mit welchen neuen Tricks die Täter arbeiten und wie man sich – unabhängig vom Alter – vor der Abzocke schützen kann.
Eine 82-jährige Essenerin lässt eine Schwangere in ihre Wohnung, weil diese darum bittet, auf die Toilette zu dürfen. Am Ende fehlt der Familienschmuck der älteren Dame. Ein Rentner arbeitet in seinem Vorgarten, als er plötzlich von einer Unbekannten angesprochen wird: Er habe Kaugummi im Haar. Die Frau ist hilfsbereit, entfernt den Kaugummi mit einer Schere. Hinterher stellt das Opfer fest: Seine Goldkette hat die Frau gleich mitentfernt.
Das sind nur zwei aktuelle Beispiele aus Essen, die zeigen, dass sich organisierte Diebe immer neue Tricks einfallen lassen, um vor allem Senioren zu bestehlen. Der Beutezug der Profi-Diebe, falschen Wasserwerker und falschen Enkelkinder hat in Essen einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Polizei ist besorgt, sagt Sprecher Peter Elke: „In den letzten Monaten hat das erheblich zugenommen.“ Allein in dieser Woche schlugen Trickdiebe in Altenessen, Katernberg, Frillendorf, Frohnhausen, Bochold und im Ostviertel zu.
„Echte Enkelkinder“ sollen Großeltern vor Trickbetrügern warnen
Konkrete Zahlen hat die Polizei jedoch nicht, weil die Straftaten nicht nach Opferalter erfasst werden. Zudem sind unterschiedliche Dienststellen für die verschiedenen Delikte zuständig. „Deutlich mehr als 90 Prozent der Opfer sind ältere Leute“, schätzt Elke.
Wiederholt hat die Polizei vor den professionellen Trickbetrügern gewarnt. Doch anscheinend verhallen diese Warnungen. Nun wenden sich die Beamten an die „echten Enkelkinder“. Heißt: Die Enkel sollen mit ihren Großeltern sprechen, sie vor den Tätern und ihren Tricks warnen. Das könne funktionieren, so hofft die Polizei, weil sich die Senioren oft durch ihre Kinder bevormundet fühlen würden. Bei Enkeln sei das Verhältnis anders. „Die Enkelkinder können am ehesten helfen und beschützen“, sagt Elke.
Die Polizei sei angewiesen auf Hinweise aus der Bevölkerung, etwa wenn ein Nachbar eine verdächtige Person beobachtet, die vor dem Haus herumschleicht, erklärt der Polizeisprecher. Auch die Opfer sollten sich bei den Beamten melden. „Die Polizei hat sonst kaum Möglichkeiten sich gegen die Täter zu stellen.“
Senioren sind eine leichte Beute für die professionellen Betrüger
Warum haben es die Täter ausgerechnet auf ältere Menschen abgesehen? „Die Täter schauen sich ihre Opfer genau an“, weiß Elke. Die Senioren sind quasi eine leichte Beute für die Betrüger: Sie sind oft freundlich, können sich kaum wehren, sind leichter zu überrumpeln – hinzukommt eine große Scham, die Tat hinterher anzuzeigen.
„Alte Leute sind schnell bereit, ihr letztes Hemd zu geben“, sagt Elke. Und das sei in vielen Situationen, zum Beispiel innerhalb der Familie, ja auch gut. Doch die Betrüger nutzen das schamlos aus. Elke fällt direkt ein Beispiel ein: Ein Täter ruft bei einer Seniorin an, gibt sich als Arzt in einem Krankenhaus aus, sagt, die Enkeltochter sei verunglückt und brauche sofort ein teures Medikament. Das Geld dafür solle die ältere Dame am besten sofort überweisen. Ein klassischer Schockanruf – der leider zu oft funktioniert.
In anderen Fällen rufen „falsche Enkel“ bei den Senioren an, sagen, sie seien in Geldnot und würden einen Freund schicken. Der holt dann das Geld bei dem Opfer ab.
So können sich Senioren vor den Trickbetrügern schützen
Wie können sich Senioren vor Trickbetrügern schützen? Die Grundtaktik aller Täter ist es, ihr Opfer aus der Normalität zu reißen, es in einen neue, unbekannte Situation zu bringen und es so zu verunsichern und abzulenken. „Das reicht dann schon für die nächsten Angriffe“, sagt Elke.
So war es wohl auch bei dem Essener Rentner, der gerade Geld von der Bank geholt hatte, als er plötzlich auf der Straße von zwei unbekannten Männern angesprochen wurde, dass er einen Ketchup-Fleck auf der Jacke hatte.
Die Täter seien schon erfolgreich, „wenn die ersten zwei, drei Sätze gesprochen wurden“, erklärt Elke. Das bedeutet: „Wenn man bei diesem Kontakt bemerkt, das ist jemand, der quasi aus dem nichts auftaucht, dann sollte man auf Distanz gehen und das Gespräch abbrechen“, empfiehlt er.
Mit Ketchup-Fleck-Trick Bargeld gestohlen
Dies machte der Rentner im Fall des Ketchup-Fleck-Tricks offenbar nicht. Denn die zwei Täter lenkten ihn so geschickt ab, dass sie am Ende das Bargeld aus seiner Innentasche stehlen konnten.
Die Polizei rät daher: Suchen Unbekannte Kontakt zu einem, sollte man nicht reagieren. Wird man etwa auf der Straße angesprochen, man habe einen Fleck auf der Jacke, sollte man weitergehen, aus der Situation heraus, und vielleicht in das nächste Geschäft – und dann erst nach der Jacke schauen.
An der Haustür sollten Senioren misstrauisch sein
Auch bei Fremden an der Tür gilt: Misstrauisch sein. Bei angeblichen Wasserwerkern zum Beispiel den Dienstausweis zeigen lassen oder direkt bei den Stadtwerken anrufen und nachfragen, ob diese einen Mitarbeiter vorbeigeschickt haben. Hat man Zweifel, kann man dem Unbekannten auch sagen, er soll zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen und sich in der Zwischenzeit Unterstützung von einem Verwandten oder Nachbarn holen, damit man nicht alleine in der Wohnung ist.
Wer etwas Verdächtiges beobachtet oder Opfer von Trickbetrug wird, der sollte sich sofort bei der Polizei unter der Notrufnummer 110 melden.
Beratung gibt es bei der Kriminalprävention der Polizei Essen unter der Telefonnummer 0201-8294444.