Essen. . Madeleine W. hatte ihren Stiefvater bereits vor einem Jahr wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Seitdem soll sie sich vor ihm versteckt haben. Freunde des mutmaßlichen Täters berichten: Günter O. soll ein rechter Waffenfanatiker sein. „Bei dem bekam man Angst!“, sagt ein Kleingärtner.
Zart violett sprenkeln Krokusse diesen Garten, und nebenan klappert ein Windspiel hölzern bei jedem Luftzug. Doch von einem Frühlingsidyll ist die Szenerie in dem Schrebergarten im Essener Stadtteil Borbeck weit entfernt. Dort, gleich neben der blauen Hütte, häuft sich noch die Erde, unter der die 23-jährige Madeleine W. begraben lag. Erde, Beton, Erde und wieder Beton. Darunter die junge Frau. Und als ob der Mord an sich nicht furchtbar genug wäre, fragen sich die Ermittler nun, ob Madeleine W. womöglich lebendig in ihr Grab gelegt wurde.
Über eine Woche wurde nach ihr gesucht, nach ihr gefahndet. Nach der jungen Frau aus Gelsenkirchen, die am Dienstag vergangener Woche zum letzten Mal gesehen wurde, als sie morgens früh ihre zweijährige Tochter in die Kita brachte. Eine Woche lang keine Spur. Dann der schreckliche Fund in dem Schrebergarten ihres 47-jährigen Stiefvaters Günter O. Am selben Tag noch werden er und sein 21-jähriger Sohn wegen Mordverdachts festgenommen.
Die Geschichte dahinter, sie ist entsetzlich. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte Madeleine W. ihren Stiefvater angezeigt, wegen sexuellen Missbrauchs. Zweimal hatte sie versucht, vor ihm zu fliehen. Einmal vergeblich, später findet sie Unterschlupf in einem Frauenhaus, wagt sich zur Polizei.
Das Kind ist vom Stiefvater
Ihre zweijährige Tochter, das ist per Vaterschaftstest nachgewiesen, ist auch das Kind ihres Stiefvaters. Längst prüft die Staatsanwaltschaft, ob Günter O. Madeleine bereits als Jugendliche sexuell missbraucht hat. Doch zu einem Prozess kam es bislang nicht. „Stattdessen drehte Günter völlig durch, suchte krankhaft nach Madeleine“, sagt Marcel B., ein langjähriger Freund der Familie. Günter O. sei völlig vernarrt in seine zweijährige Tochter. „Er wollte Madeleine aus dem Weg schaffen, um die Kleine für sich zu haben“, erklärt er.
Was genau geschah, wie er sie fand, wie er sie tötete, liegt noch im Dunkeln. Die Polizei, die mit großem Aufwand nach Madeleine gesucht hat, fand die Tote geknebelt und an Händen und Füßen gefesselt in dem 1,30 Meter tiefen Erdloch auf der Parzelle der Kleingarten-Anlage Hesselbach I und II. Fest steht einzig: Sie ist erstickt.
Günter O. soll rechtsradikal und ein Waffenfanatiker sein
Und langsam verdichten sich auch die Informationen über Günter O. zu einem konkreten Bild. Der gebürtige Österreicher lebte viele Jahre im sächsischen Kamenz, bevor er 2009 nach Essen umzog. Bis zu seiner Festnahme arbeitete er als Platzwart beim Fußballverein DJK Eintracht Borbeck.
Marcel B., der Freund der Familie, beschreibt ihn als Menschen, der durchaus aggressiv werden kann. Er habe Madeleine „Scheiße behandelt“, ihr viel verboten. Madeleine habe um alles bitten müssen. Günter O. sei rechtsradikal, ein „Waffenfanatiker“. In seiner Wohnung habe er Waffen gelagert, von denen er, Marcel B., jedoch nicht wisse, ob es sich um echte oder um Attrappen handele. Als Motorrad-Fahrer habe Günter O. Kontakt zu den Borbecker Bandidos, trage deren Jacke.
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Hans-Jürgen Mangartz, der Vorsitzende des Kleingartenvereins Borbeck, lernte Günter O. kennen, als dieser im Juni 2013 die Parzelle mit der blauen Hütte auf seinen Namen umschreiben ließ. „Er machte einen sehr ungepflegten Eindruck“, erinnert sich Mangartz. Und der Obmann des Vereins, Josef Fallen, begegnete Günter O. auch später noch einmal. „Bei dem bekam man Angst!“ Den Nachbarn im Kleingarten fiel er vor allem auf, „weil er gerne laut und mit viel Alkohol feierte“.
Nun stehen Günter O. und sein Sohn unter Mordverdacht. „Wir ermitteln weiter mit Hochdruck gegen die beiden Verdächtigen.“ Nicht aber gegen Madeleines Mutter, erklärte die Essener Oberstaatsanwältin Birgit Jürgens gestern. Die Ehefrau des 47-Jährigen werde nicht verdächtigt. Warum es nach der Anzeige von Madeleine bislang nicht zu einem Verfahren gekommen ist, dazu wollte sich Birgit Jürgens „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht äußern. Doch das Missbrauchsverfahren gegen Günter O. laufe weiter.
Wurde Madeleine lebendig begraben?
Seit Donnerstag untersuchen Rechtsmediziner nun Hautproben der Getöteten. Ihr Ziel: herauszufinden, ob Madeleine lebendig begraben wurde. Diese Untersuchungen können allerdings mehrere Wochen dauern, so ein Polizeisprecher. Und obschon manches an diesem Fall noch unklar ist, eines weiß man: Am Tag ihres Verschwindens hatte sich Madeleine mit ihrem Stiefvater und dem Halbbruder getroffen. Gemeinsam seien sie nach Essen gefahren.