Essen. . Knapp zehn Prozent Zuwachs verzeichnet der Hausnotrufdienst der Malteser in Essen. Auch andere Anbieter in der Ruhrstadt bestätigen, dass der Service immer häufiger eine Alternative zum Heim darstellt.

Das Telefon klingelt ungewöhnlich früh am Morgen. Auf dem Display erscheint die Nummer der Mutter, die alleine in ihrer Wohnung lebt - und schon geht der Puls in die Höhe. Hoffentlich ist nichts passiert, ist der erste Gedanke. Eine Tag- und Nachtbetreuung können Angehörige nur schwerlich leisten. Der Hausnotrufdienst erscheint daher zunehmend als entlastende Alternative.

Eine Steigerung um knapp zehn Prozent verzeichnet der Malteser Hausnotruf in Essen für das vergangene Jahr. Und auch bei anderen Essener Diensten ist die Tendenz steigend. „Die Zahlen bestätigen, dass immer mehr Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben möchten und den Umzug in ein Seniorenheim scheuen“, weiß Hausnotruf-Leiter Thorsten Schildt.

423 Mal rückten die Malteser im vergangenen Jahr zu Notrufen in Essen aus. Die Mehrzahl der Senioren drücke den Notruf-Knopf aus sozialen Gründen. „Ihnen ist bewusst, dass wir im Grunde medizinische Hilfe vermitteln, aber manchmal ist die Einsamkeit so groß, dass sie einfach nicht weiter wissen“, erzählt Schildt. Für diesen Fall bieten die Malteser den kostenfreien Besuchsdienst an, bei dem sich Ehrenamtliche um Menschen kümmern, die sich einsam fühlen.

Die Hemmschwelle ist sehr hoch

René Kleinfeld vom Maternus-Hausnotrufdienst in Essen kann die Beobachtungen bestätigen. „Diese emotionalen Probleme nehmen wir sehr ernst“, erklärt der Dienstleiter. „Bei uns gehört das zur Notruf-Fürsorge dazu“. Seine Erfahrung zeige jedoch auch, dass Senioren im Normalfall nur in prekären Situationen auf den Knopf drücken. „Die Hemmschwelle ist sehr hoch“, weiß Kleinfeld. Regelmäßig bietet der Maternus-Hilfsdienst daher Beratungsgespräche mit den Angehörigen an und ermutigt die Senioren das Angebot zu nutzen, um lebensgefährliche Situationen zu entschärfen.

Die Johanniter waren in Essen 1988 unter den Ersten, die diesen Dienst ins Leben riefen. Seit 25 Jahren bietet der Verein die zwei mittlerweile üblichen Modelle an. Beim sogenannten „Nachbarschaftsmodell“ geht der Notruf bei einer privaten Vertrauensperson ein. Erst wenn sich diese nicht meldet, kommt ein Johanniter-Mitarbeiter zum Notrufort. Den Grundpreis für diese Version übernimmt die Krankenkasse ab Pflegestufe 1. „Für das „Rundum-sorglos-Paket“ müssen die Senioren noch einen Selbstkostenbeitrag drauflegen“, erklärt Volker Niemann, Leiter des Hausnotrufdienstes bei den Johannitern. Bei dem „erweiterten Modell“ liegt der Schlüssel bei den im Rettungsdienst ausgebildeten Mitarbeitern, die Tag und Nacht einsatzbereit sind. Wenn sich die Senioren nicht einmal innerhalb von 24 Stunden in der Zentrale melden, erfolgt ein Routine-Rückruf. Mit knapp 4.000 Senioren und 250 Alarmschaltungen pro Tag gehören die Johanniter zu den größten Anbietern in Essen. „Gerade vor Weihnachten werden die Notrufe immer noch deutlich mehr“, erzählt Niemann. Die Einsamkeit käme an den Feiertagen immer besonders zum Tragen. „Im ersten Gespräch merken wir schnell, ob ein körperlicher Notfall vorliegt, oder ob seelischer Beistand ausreicht“, weiß Volker Niemann. „Wenn nicht gerade ganze viele andere Anrufe in der Pipeline drücken, versuchen wir natürlich so lange wie möglich mit dem Anrufer zu sprechen“, sagt der Dienst-Leiter.

Häufigster Notruf nach Sturz

Der häufigste Notruf gelte aber dem vorhergegangenen Sturz. „Dabei ist das Badezimmer die Hauptgefahrenquelle“, weiß Niemann. Einen besonderen Wert legt der Dienst-Leiter auf den abgesicherten Umgang mit den Wohnungsschlüsseln, die die Teilnehmer ihnen anvertrauen. „Bei uns ist jeder einzelne Schlüssel versiegelt und wird nur einzeln herausgegeben“, erklärt Niemann. „Hier fährt niemand mit einem ganzen Schlüsselbund durch die Gegend“, was bei anderen Diensten durchaus vorkomme.

Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) betreut in Essen mittlerweile eine vierstellige Zahl von Senioren. „Die Vereinsamung in Großstädten wie Essen ist sehr groß, wodurch solch ein Service immer wichtiger wird“, erklärt Christian Kuhlmann vom DRK Essen. Der Notrufdienst habe schon vielen das Leben gerettet. „Für einige wäre es wohl zu spät gewesen, wenn sie nach einem Sturz länger unentdeckt in der Wohnung gelegen hätten“, weiß Kuhlmann. „Bei uns geht nach dem Knopfdruck sofort die Rettungskette los und das Team wird mit Blaulicht in Marsch gesetzt“, sagt Kuhlmann. Eine schnellere professionelle Hilfe im eigenen Heim sei kaum möglich.