Essen.
Der Strafprozess gegen den Essener Gereon N. (50), Ex-Geschäftsführer der Mülheimer Firma „Easy Software“, und vier weitere Angeklagte, ist auch bei seiner Neuauflage gefährdet. Der vom Gericht geladene Gutachter ist „dauerhaft erkrankt“, und eine Schöffin steht plötzlich im Verdacht, falsche Angaben gemacht zu haben.
Laut Anklage hat das börsennotierte Mülheimer Unternehmen zu Unrecht rund 1,2 Millionen Euro an die vor dem Bankrott stehende Softwarefirma „sbr health it“ in Gladbeck überwiesen. Das soll auf Veranlassung des Geschäftsführers Gereon N. erfolgt sein, der sich rund 700.000 Euro von dieser Summe in die eigene Tasche gesteckt haben soll. Immerhin das durfte Staatsanwalt Stefan Levin am Freitag behaupten, als er die Anklage vorlas. Ansonsten kam die XXI. Essener Wirtschaftsstrafkammer in der Sache nicht weiter. Keine neue Erfahrung in diesem Fall.
Kurzzeitpflege für die Schwiegermutter
Im September war der Prozess geplatzt, weil das Gericht einem der Verteidiger die Ladung nicht rechtzeitig zugestellt hatte. Zur Neuauflage am 27. Januar fehlte eine Schöffin. Telefonisch wurde sie damals erreicht. Sie kam und erzählte, eine Geschäftsstelle des Gerichtes habe ihr am Telefon gesagt, die Ladung sei unverbindlich. Dann teilte sie dem Gericht mit, sie könne an einigen der geplanten 18 Prozesstage nicht, weil sie in Urlaub fahre. Weil sie noch keine Reise gebucht hatte, verwies sie auf einen reservierten Kurzzeitpflegeplatz für ihre Schwiegermutter. Darauf entließ das Gericht sie und griff auf eine andere Schöffin zurück.
Am Freitag, zweiter Prozesstag, zweifelten die Verteidiger, ob die Angaben der Schöffin korrekt seien. Richter Markus Dörlemann verlas die Information des im Essener Stadtteil Schönebeck gelegenen Seniorenstiftes „Kloster Emmaus“, dass tatsächlich „im März“ ein Pflegeplatz gebucht sei.
Verteidiger überrascht mit neuen Angaben
Die Verteidiger bestanden trotzdem auf eine Besetzungsrüge. Nachdem sie eine Stunde Zeit für die Formulierung hatten, überraschte Verteidiger Wolfgang Küpper-Fahrenberg die Prozessbeteiligten mit einer neuen Nachricht. Telefonisch habe ihm das Seniorenstift mitgeteilt, dass die 90 Jahre alte Schwiegermutter der Schöffin bereits seit dem 19. September 2013 im Stift sei. Das empfand er für den behaupteten „Kurzzeitpflegeplatz“ als recht lange Zeit. Dass er am Telefon genauere Informationen als das Gericht bekommen hatte, erklärte Küpper-Fahrenberg gerne: „Die Mitarbeiterin kennt mich als Anwalt, weil wir den Träger des Stiftes, die Contilia-Gruppe, anwaltlich vertreten.“
Ob die Angaben der Schöffin, seien sie wahr oder unwahr, direkte Auswirkungen auf das Verfahren haben, lässt sich noch nicht absehen. Ein weiteres Problem taucht mit der ernsthaften Erkrankung des Gutachters auf, der eigentlich am Montag in Essen auftreten sollte. Jetzt muss sich erst ein weiterer Wirtschaftsprüfer in die umfangreiche Materie einarbeiten. Das kostet Zeit. Das Gericht hofft, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Richter Dörlemann: „Wir sind optimistisch.“
Die Verteidigung hat bereits ein eigenes Gutachten erstellen lassen, das angeblich die Unschuld der Angeklagten belegen soll. Offiziell haben sie diesen Gutachter dem Gericht aber noch nicht benannt.