Essen-Altenessen. . Soziale Schieflage, Kriminalität, Verwahrlosung? In Altenessen nehmen immer mehr Nachbarn das Schicksal selbst in die Hand. Geschätzte 100 Aktive haben in den vergangenen Wochen Müll gesammelt oder werden das bald tun. Das soll nur ein Anfang sein.

Die Aufbruchstimmung in Altenessen als Folge der Stadtteilkonferenzen ist erheblich größer, als sich die Initiatoren vorher ausgemalt haben. Geschätzte 100 Nachbarn haben sich, aufgeteilt in Kleingruppen, in den vergangenen Wochen mit Plastiksack und Zange bewaffnet, auf die Müllsuche begeben oder werden dies in Kürze tun. Dabei fördern sie Erstaunliches zu Tage.

So wie das dreizehnköpfige Grüppchen „Rund um den Bahnhof“, das bereits zum zweiten Mal die „Entdeckungstour“ angetreten hat. „Es war schon etwas überraschend, als wir einen noch nicht abgelaufenen und gestohlen gemeldeten Reisepass und ein Kfz-Nummernschild mit gültiger TÜV-Plakette am Schweinemarkt gefunden haben“, berichtet Ralf Noreikat und muss schmunzeln. Das Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft Altenessen (IGA) gehört zu den „Gruppenköpfen“, den Organisatoren der Truppen vor Ort.

Natürlich wurden die beiden Fundstücke der Polizei übergeben, die restlichen Funde des Tages waren dann doch eher etwas für die richtigen Entsorgungsbetriebe: „Insgesamt waren das knapp 30 Müllsäcke, vier Autoreifen und ein Kühlschrank“, resümiert Noreikat. Beim ersten Rundgang vor einigen Wochen hatte „sein Team“ noch rund 80 Säcke zu füllen gehabt: „Die bereits gesäuberten Stellen vermüllen nicht mehr so schnell.“

„Bist Du eigentlich die Einzige, die den Müll sieht?“

Das freute natürlich auch die Anwohner, die durch Nachbarn, Freunde oder die Medien von den Aktionen vor Ort erfuhren. Es scheint, als hätten viele Altenessener nur auf die Gelegenheit gewartet, aktiv zu werden. „Ich wohne seit zehn Jahre an der Ellernstraße und habe mich immer gefragt: Bist Du eigentlich die Einzige, die den Müll sieht?“, erzählt die Altenessenerin Ursula Franz. Sie war schon das zweite Mal dabei. Wie auch Gabi Hecker: „Das ist ein Anfang und ich würde mir wünschen, dass die Aktivitäten Aufmerksamkeit erzielen und noch mehr Menschen zum Mitmachen bewegen.“

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Diese Entwicklung sei schon spürbar, findet Stadtteil-Moderatorin Tanja Rutkowski. „Es spricht sich herum und wächst.“. Die Mitarbeiterin des Institutes für Stadtteilentwicklung, Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung (ISSAB) der Universität Duisburg-Essen ist überrascht von der Dynamik. Für die Mitorganisatorin der Stadtteilkonferenzen ist der Müll ein erster Schritt: „Die Nachbarschaften sollen zusammenkommen, sich über Entwicklungen austauschen und auch Schritte ergreifen.“ In Altenessen fällt dies – hoffentlich für länger – auf fruchtbaren Boden.