Essen. Partei findet NRZ-Recherchen bestätigt und klagt: „Lamentieren und Schlechtmachen wider besseren Wissens schadet der Stadt“. Den Messe-Partnern aus der Pneu-Branche stinkt, dass sie zwischen die Mühlsteine der Politik geraten. Sie weigern sich preiszugeben, wann der Köln-Deal geschlossen wurde.
Der Vorstoß der Messe wie großer Teile der Politik, den Abgang der „Reifen“ nach Köln unmittelbar mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids in Verbindung zu bringen, hat die Grünen auf die Gegenspur gebracht: Diese Begründung sei „schlichtweg falsch“, heißt es in einer Stellungnahme der Partei. Sie fand in eigenen Erkundungen die Recherche der NRZ bestätigt, wonach der „Reifen“-Wechsel ab 2018 auch dann erfolgt wäre, hätte der Bürgerentscheid zu einem anderen Ergebnis geführt.
„Das Lamentieren und Schlechtmachen der Stadt durch die Fraktionen von CDU, FDP und Essener Bürger Bündnis, in deren Kanon sich nun leider auch der neue Messechef Herr Kuhrt trotz besseren Wissens über den Weggang der Reifenmesse einreiht“, sei nicht nur gefährlich, sondern schade Essen, so klagte die Chefin der Grünen im Rat, Hiltrud Schmutzler-Jäger. Sie appellierte, sich noch vor der Kommunalwahl „über die Grundzüge einer maßvollen Ertüchtigung der Messe Essen“ zu verständigen. Ein erstes Treffen hat der OB bereits für den kommenden Montag anberaumt. Allerdings hegen die Grünen große Zweifel, „ob Oberbürgermeister Paß wegen seines massiven Einsatzes für die ,Pro Messe’-Initiative der richtige Moderator eines solchen Prozesses sein kann“.
Wechsel wäre auf jeden Fall gekommen
In diesen Tagen fällt es Peter Hülzer nicht so ganz leicht, in der argumentativen Spur zu bleiben. Muss wohl am „Reifen“-Druck liegen.
Dienstag Abend hatte der geschäftsführende Vorstand des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. der NRZ jedenfalls noch brühwarm erzählt, dass der für 2018 geplante Wechsel der Fachmesse von Essen nach Köln auf jeden Fall erfolgt wäre – unabhängig vom Ausgang des Bürgerentscheids.
Irgendwer muss ihm dann dennoch ziemlich Gummi gegeben haben, denn tags darauf versucht Hülzer zu relativieren: Ja, man habe schon seit Monaten mit Köln verhandelt, ja, die Lage in Essen habe man bei Vorstandssitzungen immer wieder auf der Agenda gehabt, der Bürgerentscheid, plötzlich aber war er „die letzte Stufe in einem Gesamtpaket“, bei dem man ja womöglich, vielleicht, unter Umständen am Standort Essen geblieben wäre, wenn denn die Bürger ihren Segen zur Modernisierung gegeben hätten.
Hülzer ist verschlossen
Heute so, morgen so, bei Hülzer hört man heraus, dass er am liebsten gar nichts sagen würde, weil er nicht an Politik denkt, wenn er von Profil redet: „Ich lasse mich nicht zwischen die Mühlsteine der Stadt Essen hineinziehen“, sagt er – wohl wissend, dass er schon längst mittendrin steckt. Für die Befürworter der Messe-Modernisierung zum Preis von 123 Millionen Euro ist der „Reifen“-Wechsel nach Köln willkommenes Beispiel, dass sie mit ihren Warnungen vor abwandernden Messen Recht hatten. Für die Gegner ist eben dieser Schritt bestes Beispiel dafür, dass auch die schönste Modernisierung keine Messe an die Kette legen kann: Denn der Vertrag über die „Reifen“ in Köln, die dort anders heißen wird, weil die Markenrechte weiter in Essen liegen, dieser Vertrag ist längst unterzeichnet. Nach NRZ-Informationen war es vor dem 19. Januar.
Ist das so, Herr Hülzer?
Keine Antwort: Er will in diese Irrungen und Wirrungen nicht eintauchen, er hat seine Meinung über die Messe („tolles Service-Team“) und den OB („viel zu wenig Kommunikation“), über die dauernden Geschäftsführer-Wechsel („seltsam“) und die Modernisierungsdebatte („zu lang“). Aber das ist letztlich Schnee von gestern, der Vertrag, ja, er ist unterzeichnet. Wann? Sagt er nicht: „Wir ziehen das jetzt sauber durch, 2014 und 2016 noch in Essen, danach in Köln, und gut.“
Aber er weiß doch, dass der Termin der Vertragsunterzeichnung Licht ins politische Dunkel bringen könnte. Dass alle Welt bis zum Beweis des Gegenteils glaubt, er halte den Termin der Vertragsunterzeichnung zurück, weil er vor dem 19. Januar lag und Essen faktisch keine Chance mehr hatte? Das weiß er doch?
Ja, sagt Hülzer da entwaffnend: „Damit muss ich leben.“