Essen. Das stärkere der beiden seit Jahren zerstrittenen Lager in der Essener Linken hat am Wochenende auf der Mitgliederversammlung eine radikale Trennung vollzogen. Bei der Kandidatenkür für die Kommunalwahl am 25. Mai fielen alle Vertreter der Gegenseite durch.

Um des Friedens und der gemeinsamen Schlagkraft willen sind Parteien meist bestrebt, bei Kandidatenwahlen ihre Flügel gemäß der jeweiligen Stärke zu berücksichtigen. So war es bisher auch bei den Essener Linken, die damit bei der Mitgliederversammlung am Wochenende jedoch radikal brachen. Mit geradezu grimmiger Konsequenz und trotz zum Teil knappen Mehrheiten wurden die als aussichtsreich geltenden Plätze für die Ratskandidatur bei der Kommunalwahl am 25. Mai ausschließlich an das Lager vergeben, das vom bisherigen Fraktionschef Hans-Peter Leymann-Kurtz angeführt wird.

„Wir haben die Mitglieder entscheiden lassen, ohne dass Absprachen getroffen wurden“, sagt Fraktionsgeschäftsführer Jörg Bütefür. Man sei es einfach leid gewesen, „sich in Konflikten aufzureiben“, begründet Bütefür das ziemlich gnadenlose „Durchstimmen“. Ein letzter Kompromissversuch im Vorfeld sei gescheitert. Die Gegenseite sagt: „Der war niemals ernst gemeint.“

Fünfköpfige Ratsfraktion wurde mehrfach in Turbulenzen gestürzt

Seit Jahren befindet sich die Essener Linke in einem Dauerstreit, der vor allem die fünfköpfige Ratsfraktion mitunter in Turbulenzen stürzte. Unversöhnlich gegenüber standen sich hier das Ehepaar Gabriele Giesecke und Wolfgang Freye auf der einen Seite, sowie Leymann-Kurtz, Janina Herff und Bütefürs Ehefrau Claudia Jetter auf der anderen.

Eher selten ging der Streit um Inhaltliches, wichtiger sind wohl die menschlichen Gräben zwischen den Haupt-Matadoren Leymann-Kurtz und Freye. Es gibt Klagen über Führungsstil auf der einen und mangelnde Loyalität auf der anderen Seite, und es geht um Macht – wenn dieser Ausdruck bei einer Fraktion nicht etwas hoch gegriffen ist, die im Rat bisher fast ausschließlich eine Oppositionsrolle einnahm.

Viele kurzfristige Neueintritte

Auf Platz 1 der Ratsliste kandidierte Giesecke gegen Herff, unterlag mit 57 zu 68 Stimmen, und in diesem Stil ging es weiter. Freye hatte sich mangels Aussichten erst gar nicht zur Wahl gestellt. Pikanterie am Rande: Viele kurzfristige Neueintritte ließen die Versammlung auf rund 120 Wahlberechtigte anschwellen, deutlich mehr als es Sitzplätze gab. „Beide Seiten haben sich auf diese Weise verstärkt“, merkt Bütefür an. Auf der siegreichen Seite hat sich dabei der frühere Altenessener SPD-Ratsherr Dieter Stodiek Verdienste erworben.

Wie geht’s nun weiter bei den Essener Linken? Bütefür räumt ein: „In den Wahlkampf gehen wir nach dieser Mitgliederversammlung nicht gerade gestärkt.“ Tatsächlich steht zu befürchten, dass sich die zahlenmäßig keineswegs schwache, aber dennoch total unterlegene Seite nicht gerade vor Eifer überschlagen wird. Freye, der über Parteigrenzen hinweg einiges Ansehen genießt, zeigte sich gestern bitter enttäuscht über seinen vorläufigen Abschied aus der Ratspolitik. „Den Linken fehlt nun unter anderem ein guter Draht zu den Gewerkschaften“, den er verkörpert habe. Ob er sich dennoch in die Wahlkampflicht nehmen lasse, ließ Freye offen: „Mal sehen“.