Essen. . Die Stadt-Tochter betrachtet sich als Teil der Kampagne “Pro Messe Essen“ und lässt ihre Mitarbeiter in ihrem Interesse plakatieren. Doch darf sie das? Das “Bündnis Messeumbau nicht um jeden Preis“ sieht eine Wettbewerbsverzerrung. Antwort des Messe-Chefs erwartet.
Wenn es um eigene Interessen geht, scheint die Messe Essen weder Kosten noch Mühen zu scheuen – selbst wenn es ihre eigenen Mitarbeiter betrifft: Die müssen eifrig plakatieren. „Da fährt am Montag um 10.30 Uhr ein Messe-Transporter am Limbecker Platz vor, drei oder sogar vier Personen steigen aus, kontrollieren und ersetzen „Pro Messe“-Plakate“, beschreibt Max Adelmann.
Er ist sich sicher: „Das waren Messe-Mitarbeiter, zumal der Transporter einen Messe-Aufdruck hatte. Die hatten Blaumänner und einer eine Warnweste an.“ Um halb elf, meint Adelmann, „haben Messemitarbeiter doch eigentlich anderes zu tun, als sich um die Plakate für den Bürgerentscheid zu sorgen.“
Ähnliche Beobachtungen machten Leser zum Beispiel in Karnap und im Südviertel. Und es bleibt die Frage: Ist das überhaupt statthaft? Darf eine städtische Tochtergesellschaft die „Pro Messe“-Vertreter derart unterstützen, wenn es beim Bürgerentscheid am 19. Januar um genau sie geht?
Messe Essen betrachtet sich als Teil der Kampagne "Pro Messe"
Hat die Messe sich bislang finanziell, personell oder organisatorisch am Bündnis „Pro Messe Essen“ beteiligt – durch das Bereitstellen von Räumen, Personal, Fahrzeugen, Übernahme von Druck- oder anderen Kosten? Unternehmenssprecherin Gabriele von Graes mag diese Frage nicht im Detail beantworten. Konkret ist ihre Antwort dennoch: „Wir betrachten uns als Teil der Kampagne und beteiligen uns entsprechend am Bündnis
Pro Messe. Wir sind dabei an verschiedenen Maßnahmen beteiligt.“
So etwa beim Abhängen defekter Plakate am Limbecker Platz. Und wie sieht’s bei der Stadtverwaltung aus? Der Oberbürgermeister unterliege nicht der Neutralitätspflicht. Er sei als Vertreter und Repräsentant des Rates nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die Bürger über die vom Rat mehrheitlich eingenommene Haltung zum Bürgerentscheid zu informieren, heißt es aus dem Presseamt.
In dieser Funktion unterstütze er das „Bündnis der Pro Messe“, das einmal wöchentlich tagt. Zwei städtische Kräfte würden beratend an den Sitzungen teilnehmen – wem dadurch welche Kosten entstehen, „sagen wir nicht“, so Renate Kusch vom Presseamt. Warum er seine Mitarbeiter nicht auch zum anderen Bündnis schickt? Kusch: „Eine gute Frage.“
Landtagsabgeordneter schreibt an den Messe-Chef
Der Landtagsabgeordnete Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) hat für das Handeln der Messe kein Verständnis. „Die Fairness ist verletzt“, sagt Mostofizadeh. Der Sprecher der Grünen in Essen ist erstaunt, welche Geschütze man mittlerweile auffahre, um eine politische Sachentscheidung zu beeinflussen. „Das zeigt, welcher Angstschweiß ihnen auf der Stirn steht.“
Wenn Messemitarbeiter während ihrer Arbeitszeit plakatieren, sei das nicht in Ordnung. Seiner Meinung nach müsse sich die Stadttochter neutral verhalten. „Denn was gar nicht geht ist, wenn städtische Gesellschaften, die immer von Entscheidungen des Rates und der Bürgerschaft betroffen sind, einseitig Werbung machen.“ Daher fragt er Messe-Chef Egon Galinnis: „In wie weit gehört das Aufhängen von Pro-Plakaten mit zum Messegeschäft?“
Plakate auf Werbeflächen der Messe
Und er fragt in einem Brief an Galinnis, ob für die großen Plakate auf Werbeflächen an der Norbertstraße, die offenkundig der Messe gehören würden und die für „Pro Messe“ werben, Geld fließe. „Mich würde interessieren, ob und in welcher Höhe dafür Kosten in Rechnung gestellt wurden und ob diese den marktüblichen Mietpreisen entsprechen“, so Mostofizadeh.
Sollten diese Flächen unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sein, „bitte ich um Bereitstellung vergleichbarer Werbeflächen für die Gruppen, die für ein Ja beim Bürgerentscheid werben“, so der Abgeordnete in seinem Brief. Bis morgen erwartet er eine Antwort.
„Die Gleichheit der Rechte ist verletzt“
Wilfried Breyvogel vom „Bündnis Messeumbau nicht um jeden Preis“ ist ebenfalls enttäuscht von den Verantwortlichen auf Seiten der Messe und der Stadt: „Das ist eine riesige Wettbewerbsverzerrung: Zum Beispiel durch den Einsatz von städtischen Bediensteten im Presseamt, in der Verwaltung und bei der Messe Essen, die die Pro-Argumente befeuern.“
Sein Bündnis wird erst am 2. Januar mit dem Plakatieren beginnen, sieht aber schon jetzt die „Gleichheit der Rechte“ verletzt. „Und es geht sicher noch weiter: Vor allem, wenn in der Personalversammlung der Stadt Essen Anfang des neuen Jahres alle in der Messehalle auf die Messe eingeschworen werden“, so Breyvogel.
Nicht nur eine Geschmacksfrage
Es bleibt dennoch zu fragen: Was ist Recht, was Unrecht, was moralisch verwerflich und was vielleicht „nur“ nicht okay oder einfach unklug? – Wenn es um die Zukunft der Messe und den Entscheid geht, spielen die „Ja“- und „Nein“-Akteure in verschiedenen Ligen, das wird nicht nur beim Plakatieren deutlich: Ob die Messe im Foyer ihrer Grugahalle eine Kinderbetreuung durch Mitarbeiter und freiwillige Helfer für Eltern anbietet, die beim Plakatieren der Pro-Plakate helfen – das ist wohl nicht nur eine Geschmacksfrage.
Breyvogel und Mostofizadeh wollen jedenfalls weiter für ihre Sache eintreten – für ein „Ja“ beim Bürgerentscheid. Man habe Motivplakate entworfen und bereits gedruckt, aktuell werde fleißig geklebt. Die 123-Millionen-Euro-Frage liegt den beiden dann doch näher. Die Frage, ob die Stadt-Tochter mit Steuergeldern einseitig fördern darf, sie steht dabei wohl eher hinten an.