Essen. . Mohamad Masri kam 1989 aus dem Libanon nach Essen, war lange geduldet und musste mit seiner Abschiebung rechnen. Dann baute er sich hier eine Existenz auf und gründete eine Familie. Nach einer wechselhaften Polit-Karriere wird er nun Schöffe am Landgericht.
1989 kam er als Flüchtling nach Essen, war erst nur geduldet, musste lange mit seiner Abschiebung rechnen – bald wird Mohamad Masri Teil der deutschen Rechtspflege. Von 2014 bis 2018 ist der gebürtige Libanese mit deutschem Pass Schöffe am Landgericht Essen.
Der 47-jährige nennt seine Aufgabe als Laienrichter eine Ehre und sieht sie auch als Symbol: Libanesen würden zu einseitig mit Drogen- und Gewaltkriminalität, mit Clan-Streitigkeiten und fehlendem Integrationswillen in Verbindung gesetzt. „Es sind doch nicht alle Libanesen in der Illegalität! Viele haben Deutschland einiges zu verdanken.“ Das gelte auch für ihn, der Anfang 20 war, als er mit drei jüngeren Geschwistern nach Essen kam. „Ich hatte den Willen für ein besseres Leben; darum habe ich auf die Bildung meiner Geschwister geachtet.“ Allein hätte er das nicht geschafft, doch der Pfarrer von St. Bonifatius habe sich um die elternlose Familie gekümmert. „Obwohl wir ja Moslems sind.“
Mit dem Gesetz in Konflikt
Er habe sich abgemüht, um dem Duldungsstatus zu entkommen, sei Laborant geworden, habe 17 Jahre im Krupp-Krankenhaus gearbeitet. Jetzt hilft Masri seiner Frau im Café Tripoli im Nordviertel. Ihre fünf Kinder kennen den Libanon nur von Urlauben: „Essen ist ihre Heimat.“
Masri weiß, dass die Integration oft nicht so reibungslos verläuft: Regelmäßig begleitet er junge Libanesen, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, zu Jugendamt oder Gericht. Oft setze die mit der Duldung verbundene Perspektivlosigkeit, das Nichtstun den 16-, 17-Jährigen so zu, dass sie aggressiv oder gar straffällig würden. „Doch es gibt Familien, die schon das libanesische Recht nicht anerkannten und dort alles unter sich regelten.“
"Es ist eine tolle Chance"
Er halte nichts davon, Straftaten von islamischen Streitschlichtern verhandeln zu lassen, wie es einige Clans auch in Essen praktizieren. „Die Dinge müssen angezeigt werden, und ich sage den Jugendlichen: ,Nehmt das ernst!“ Um sich auf sein Amt als Schöffe vorzubereiten, hat Masri ein Strafgesetzbuch gekauft und die Infoveranstaltung des Landgerichts besucht.
Ob er der erste Schöffe mit libanesischen Wurzeln ist, kann übrigens weder das Gericht sagen noch die Stadt, die die Laienrichter überprüft. Man gucke nur, dass die Kandidaten die deutsche Staatsbürgerschaft haben und unbescholten sind. Beides trifft auf Masri zu. Auch wenn er schon einmal vor dem Amtsgericht stand, weil er sich zu Unrecht als Honorarkonsul des Libanon ausgegeben hatte. Gegen eine Geldbuße wurde das Verfahren eingestellt. „Ich habe das akzeptiert, um weitere Schlagzeilen zu verhindern“, sagt er heute. Ganz gelingen sollte das nicht: Bald darauf wurde er als Vize-Vorsitzender des Integrationsbeirats abgewählt. Die libanesische Gemeinde fühlte sich von ihm nicht gut vertreten.
Masri räumt Konflikte ein; doch der libanesische Zedernverein, dem er vorsitzt, habe sich vom dem Polit-Eklat erholt und arbeite daran, den Ruf der Libanesen zu verbessern. Er selbst wolle als Schöffe auch Vorbild sein: „Es ist eine tolle Chance, dass der Bürger an der Rechtsprechung mitwirken kann.“