Essen. Buchstäblich in letzter Minute ist die Koalition von SPD und Grünen in Essen geplatzt: Die Verhandlungspartner verließen Montag abend das Rathaus, ohne einen neuen Gesprächstermin zu vereinbaren. Beide Seiten überzogen sich gegenseitig mit schweren Vorwürfen.
Das zwischen SPD und Grünen für die nächsten fünf Jahre geplante Bündnis im Rat der Stadt Essen ist am letzten Verhandlungstag überraschend geplatzt. Um 18 Uhr am Montag verließen die Spitzen von SPD und Grünen ratlos den Verhandlungssaal im Rathaus – ohne weitere Termine zu vereinbaren. Hauptgründe für das Scheitern sind nach Angaben beider Parteien vor allem personelle Fragen, besonders die Besetzung und Zuschnitte der Dezernate.
"Wir werden uns wechselnde Mehrheiten suchen"
„Rot-Grün kommt jetzt nicht zustande. Ob das noch in den nächsten Monaten klappt, weiß niemand. Wir werden uns nun jedenfalls für unsere Inhalte wechselnde Mehrheiten im Rat suchen”, sagte Grünen-Parteichef Thorsten Drewes kurz nach der Verhandlungsrunde. „Wir laden am Mittwoch unseren Unterbezirk und die Fraktion zur außerordentlichen Sitzung ein, um über unser Vorgehen zu beraten”, sagte SPD-Chef Dieter Hilser.
Über die wahren Ursachen des plötzlichen Scheiterns der wochenlangen Verhandlungen kamen von beiden Seiten verschiedene Versionen. Beide überzogen sich gegenseitig mit schweren Vorwürfen.
"Wahlversprechen der SPD sind nicht finanzierbar"
So kritisierten die Grünen, die SPD habe keine nachhaltigen belastbaren Finanzierungsvorschläge zu ihren Wahlversprechen gemacht: So habe sowohl ein Konzept zur Zukunft der Sportstätten und der Bäder als auch für die Bezahlung eines beitragsfreien Kindergartenjahres gefehlt; ein Vorschlag der SPD zur Finanzierung ihres Versprechens, das Dellwiger Freibad Hesse werde renoviert und bleibe erhalten, habe sich als unrealistisch herausgestellt.
Zudem habe die SPD alle frei werdenden Dezernentenstellen der nächsten zwei Jahre nur mit ihren Leuten besetzen wollen, sagte Drewes.
"Die Grünen wollten jetzt doppelt so viele Dezernenten"
Der sonst so ruhige und gelassene SPD-Chef Dieter Hilser zeigte sich über das Verhalten der Grünen äußerst erbost. „Wir waren uns inhaltlich in fast allen Punkten einig, wie wir die nächsten fünf Jahre gestalten wollen - und dann wollten die plötzlich die Zahl ihrer Dezernenten verdoppeln. Das können wir unmöglich mitgehen”, sagte Hilser.
Die Grünen hätten schließlich bei ihrer vorangegangenen Kooperation mit der CDU auch akzeptiert, dass diese vier Dezernate besetzen konnten und die Grünen mit Baudezernentin Simone Raskob nur einen. „Erst hatten wir geglaubt, die Grünen wollten mit dieser Forderung nur ihren Preis hochtreiben, wir haben ihnen dann personellen Ausgleich bei anderen Funktionen versprochen – doch bei denen war plötzlich nichts mehr zu machen”, wundert sich Hilser.
Die Grünen schielten offensichtlich besonders auf den geplanten Dezernenten-Posten für Kultur und Integration; aber auch das gemischte Dezernat von Stadtdirektor Christian Hülsmann (CDU) wird im Oktober 2010 frei werden.
Hilser versichert jedenfalls: A40, Integrationsamt, Anti-Diskriminierungsstelle, keine Erweiterung der Messe zu Lasten des Gruga-Parks - überall sei man sich einig gewesen, fixiert auf über 20 Seiten. Auch beim Sport- und Bäderkonzept der Grünen hätte die SPD mitgehen können. „Ich begreife es einfach nicht”, schüttelt Hilser den Kopf.