Essen.. Die katholische Kirchengemeinde St. Joseph in Horst/Eiberg lässt das Gedenken an fast 8.000 Verstorbene wieder aufleben – mit einem digitalen Totenbuch. An Allerheiligen wird der auf einem schwarzen Ständer installierte Tablet-Computer offiziell vorgestellt und geweiht.
Es war sicher ein trauriger Tag für alle in der gerade erst gegründeten katholischen Gemeinde St. Joseph in Horst/Eiberg, als Henricus Schmitz am 29. November 1892 starb. Nicht nur, weil er das erste Gemeindemitglied war, das diese Welt verließ. Es war vor allem so, weil Henricus gerade einmal einen Monat alt wurde. Bis heute folgten ihm über 8.000 Horster und Eiberger ins Jenseits. „Ihnen wollen wir gedenken, uns in Würde an sie erinnern“, betont Pastor Markus Pottbäcker. Und das von Allerheiligen an durch eine ganz besondere Berührung mit dem Jenseits, die ziemlich einzigartig sein dürfte.
Die Erinnerung an Verstorbene ist für Katholiken aber nicht nur an den Feiertagen ein fester Bestandteil des Glaubens. Viele Gemeinden führen bisher Totenbücher, die in den Kirchen liegen und bei Gottesdienstbesuchen zum Gebet und Gedenken einladen. So auch in St. Joseph. Seit den 1950er Jahren ist jeder Verstorbene handschriftlich auf Pergament in Büchern erfasst, die dekadenweise geführt werden. Einzig das aktuelle Totenbuch liegt am Rande des Kirchenraums aus – gesichert unter einer Glasplatte, so dass die Seiten nicht leicht umzublättern sind.
7.979 verstorbene Gemeindemitglieder in Excel-Tabelle aufgenommen
„Ist eine Seite voll, ist das ganze Totenbuch nicht mehr zu gebrauchen, da keine weiteren Namen von mehr hinzugefügt werden können“, beklagt Annamaria Thull. Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern ihrer Gemeinde hat sie von Ostern an alte Kirchenbücher gewälzt, um das Gedenken an alle Verstorbene von St. Josef seit 1892 in einer neuen, modernen Weise aufrecht zu erhalten – in einem digitalen Totenbuch. „So etwas ist einmalig im gesamten Bistum“, sagt Gilbert Staffler, Inhaber von EHS-Datentechnik.
Stafflers Firma hat das Programm geschrieben, das einen schwarzen Tablet-Computer auf einem Ständer in einer Nische der Kirche ins digitale Totenbuch verwandelt. „Wir haben alle ehrenamtlich daran mitgewirkt“, so Staffler. Während der Öffnungszeiten der Kirche kann jeder Besucher mit Hilfe des Namens oder des Sterbedatums nach Angaben zu Verstorbenen suchen. „Das neue Totenbuch ist gut gesichert, damit es nicht plötzlich eines Tages weg ist. Dass es rechtzeitig zu Allerheiligen fertig geworden ist, haben wir vor allem großen Engagement von vier Damen aus der Gemeinde zu verdanken“, so der IT-Spezialist.
„Sie haben in einem aufwändigen Verfahren ein komplettes Verzeichnis unserer Verstorbenen bis heute erstellt“, erzählt Pastor Pottbäcker. Aus den Kirchenbüchern seien seit der Gemeindegründung Ende des 19. Jahrhunderts über 8.000 Einträge zu Verstorbenen in einer Excel-Tabelle digital erfasst worden. „Wir haben jedoch nur 7.979 Gemeindemitglieder aufgenommen, da bei einigen angegeben war, dass ihr Tod nicht veröffentlicht werden soll. An den letzten Wunsch der Menschen halten wir uns “, verdeutlicht Bärbel Vink, die neben Annemarie Thull, Marianne Bach und Marlis Scheidtmann die Daten übertragen hat.
Durchschnittsalter zwischen 1892 und 1945: 29,2 Jahre
„Bei der Recherche hat uns vor allem die Kindersterblichkeit erschüttert“, erinnert sich Bärbel Vink. So wurden die Horster und Eiberger zwischen 1892 und 1945 im Durchschnitt gerade einmal 29,2 Jahre alt. „Das lag natürlich auch an den Kriegen“, so Scheidtmann. Die alten Totenbücher seien oft in altdeutscher Schrift verfasst gewesen „und daher je nach Handschrift schwierig zu lesen und deuten“. Nach dem Vier-Augen-Prinzip haben die Frauen sie überprüft. War der Todesort – etwa im Krieg in Russland – nicht genau erkennbar, wurde im Internet recherchiert. Dreimal jährlich soll das digitale Buch aktualisiert und neue Einträge eingepflegt werden.
Dass das Gedenken an die Toten der Gemeinde aus über hundert Jahren nun wieder lebendig gehalten wird, freut vor allem Pastor Pottbäcker: „Ich hatte anfangs die Sorge, dass eine digitale Form nicht pietätvoll genug ist, doch die Gemeinde hat mich überzeugt: Denn es ist erheblich wichtiger, dass wir an wirklich alle erinnern.“ Als Pottbäcker den schlichten, geräuschlosen Tablet-Computer aus seinem schwarzen Ständer dann erstmals gesehen hat, war jeder Zweifel weg: „Es ist eine wirklich gelungene Arbeit.“
Im Rahmen der Andacht zum Totengedenken wird das digitale Totenbuch an diesem Freitag ab 15 Uhr in der Kirche St. Joseph an der Dahlhauser Straße / Ecke Tossens Büschken gesegnet und im Anschluss seiner Bestimmung übergeben.
Am Samstag, dem Allerseelentag, feiert um 18.10 Uhr der scheidende Dompropst
Otmar Vieth eine Vesper in der Adveniat-Krypta. Das Requiem beginnt um 18.30
Uhr und wird von der Choralschola der Essener Domsingknaben unter der Leitung
von Domkapellmeister Georg Sump musikalisch mit einem „Gregoranischem Requiem“
mitgestaltet. Im Anschluss an die Heilige Messe wird der Dompropst die
Priestergräber auf dem Kapitelsfriedhof segnen.