Essen. . In der Messe Essen wurden 149.407 Erst- und Zweitstimmen der Bundestagswahl nachgezählt. 800 Mitarbeiter der Stadt meldeten sich dafür freiwillig. Wer den Wahlkreis 120 holt, entscheidet sich an diesem Montag.

Wird es Petra Hinz (SPD) oder bleibt es bei Matthias Hauer (CDU)? Die Frage, wer denn nun wirklich den Wahlkreis 120 im Essener Süden bei der Bundestagswahl gewonnen hat, wurde auch am Wochenende nicht abschließend beantwortet. Zumindest nicht offiziell. „Glauben Sie mir, wir arbeiten hier gründlich, aber das dauert eben manchmal ein wenig länger“, lässt sich Oberbürgermeister Reinhard Paß zitieren, der als Kreiswahlleiter dieser Tage manche Panne herunterreden muss.

Alles schaut auf Essen, alles schaut auf die Stadt, die es einfach nicht hinbekommen hat. Jedenfalls nicht im ersten Anlauf. Und die am Samstag und Sonntag noch einmal 149.407 Erst- und Zweitstimmen in der Messe Essen ausgezählt hat, darunter die Briefwahlstimmen. Einige von ihnen stammen auch aus den Säcken, die nach der Wahl in ei­nem Fahrstuhl der Uni Duisburg-Essen vergessen wurden (siehe Box). „Wo Menschen ar­beiten, da passieren Fehler – Fehler, die nicht passieren dürfen“, versucht Paß zu beruhigen. Er trägt die Verantwortung dafür, dass im zweiten Anlauf nicht wieder etwas schief geht. Ob dies gelungen ist, zeigt sich an diesem Montag um 17 Uhr, wenn der Kreiswahlausschuss in öffentlicher Sitzung im Wahlamt am Kopstadtplatz tagt und das endgültige Ergebnis festgestellt wird. Petra Hinz oder Matthias Hauer – diese Frage wird sich dann klären.

Nachzählen im „Saal Deutschland“

Dass der Weg manchmal das Ziel ist, zeigte sich wohl am Wochenende im – wie sollte es anders sein – „Saal Deutschland“ der Messe Essen. Sonnenschein und frische Luft draußen, künstliches Licht, Lärm und stickige Luft drinnen – das hat jedenfalls keinen der rund 800 freiwilligen städtischen Mitarbeiter abgeschreckt, die freien Tage beim Nachzählen zu verbringen. „Wir wollen zeigen, dass die Mitarbeiter der Stadtverwaltung das können, nicht so faul sind wie mancher meint und nicht darauf warten, zwangsverpflichtet zu werden“, sagt eine, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Romana Milovic hat damit kein Problem. Sie arbeitet als Büroleiterin für Dezernent Andreas Bomheuer. Gemeinsam mit gut 60 Kollegen aus dem Kulturbereich ist sie angerückt und zählt und zählt und zählt. „Die Stimmung ist fantastisch. Wir sind ein echt gutes Team“, betont Milovic und ist mit dieser Ansicht nicht alleine. Einzig Mitarbeiter aus dem Wahlamt „müssen“ mitmachen.

Es herrscht ein großes Gewusel im Saal, ein Mix zwischen tief konzentriertem Zählen und Heiterkeit. Die Stimmung ist gelassen, Kaltgetränke, Kaffee und belegte Brötchen stehen bereit. „Wir sind überwältigt von dem Einsatz, den die Mitarbeiter zeigen“, betonen OB Paß und Wahlamtsleiter Rüdiger Lohse gleichermaßen. 80 Helfer seien für jede der vier Schichten nötig gewesen, je 200 sind gekommen. „Gerechnet haben wir damit nicht. Wir mussten sogar einige wieder weg schicken, darun­ter auch zwei Feuerwehrzüge“, sagt Lohse. Ob dies an der „kleinen Entschädigung“ lag? Für den halbtägigen Einsatz gab’s einen freien Tag.

Und was ist mit den 26 Stimmzettel-Säcken im Fahrstuhl?

26 Säcke mit Stimmzetteln lagen vergangenen Montag in einem Fahrstuhl der Uni Duisburg-Essen und wurden von der Polizei sichergestellt. Dass die Säcke nicht beim Wahlamt abgegeben wurden, wird heute Thema im Wahlausschuss sein. „Bisher wurden wir vom Wahlleiter nicht über diesen Missstand informiert“, sagt CDU-Ratsherr Fabian Schrumpf. OB Reinhard Paß sieht keine Folgen: „Die Stimmen waren bereits ausgezählt und wurden danach verplombt. Eine Manipulation der Wahl ist ausgeschlossen.“ Dass es dazu kam, meint Wahlamtsleiter Rüdiger Lohse, sei „nicht zu entschuldigen. Es ist leider passiert“. Warum die Säcke nicht am Abend wie geplant ins Wahlamt gebracht wurden, kann er nicht sagen. „Doch es beruhigt mich, dass kein Sack abhanden gekommen ist“, so Lohse.

Nicht weggeschickt werden hinge­gen Bürger, die als „Wahlbeobachter“ das einmalige Ereignis verfolgen wollen. Eine nennenswerte Zahl an Sicherheitskräften vor und im Saal achtet mit ernsten Mienen darauf, dass keiner den Stimmzetteln zu nahe kommt. Am Ende sind es nur wenige, die den Wahlhelfern zuschauen. Einer ist Fabian Schrumpf, CDU-Ratsherr, stellvertretendes Mitglied im Kreiswahlausschuss und vor der Wahl engagiert im „Hauer-Team“.

Schrumpf nimmt’s natürlich ganz genau. „Wir können uns keine weitere Panne erlauben, wir sind damit schon bundesweit in der Presse.“ Eigentlich hatte er das freie Wochenende schon verplant, eine Kegeltour stand an. „Es gibt aber Wichtigeres“, meint der Rechtsanwalt. Seit kurz vor acht ist er am Samstag vor Ort: „Und ebenfalls am Sonntag, bis zum Schluss.“ Damit nicht genug, lässt sich Schrumpf alle „ungültig“ gewerteten Stimmen vorlegen. Sollte es am Ende ein knappes Ergebnis geben, „müssen wir uns erneut im Ausschuss alle Stimmen anschauen, bei de­nen es Abweichungen und Unstimmigkeiten gab“. Ob ihm da der Ausschuss folgt?

Oberbürgermeister Reinhard Paß ist jedenfalls ganz zuversichtlich, dass das Nachzahlen am Wochenende auch ein gutes Ende finden wird: „Das wird schon werden.“