Essen. Ein kurioser Streit um die denkmalschützerische Notwendigkeit einer Mauer treibt derzeit Zollverein-Verantwortliche um.
Es geht um eine 2,40 Meter hohe Ziegelreihe, die einmal zum Ensemble der Anlage „Schacht XII” (errichtet 1928 – 1932) gehörte. Sie lag am südlichen Fuß des Fördergerüstes und versperrte Betrachtern den Blick auf die Güterzüge, die unter dem Fördergerüst beladen wurden.
Seit Anfang dieses Jahrtausends ist die Mauer weg. Nun soll sie nach dem Willen von Landesdenkmalschützern wieder aufgebaut werden. Das hätte fatale Folgen für das zentrale Besucherzentrum, das im Gebäude der ehemaligen Kohlenwäsche untergebracht ist: Die Mauer würde Sicht und freien Zugang zur orange leuchtenden Rolltreppe erheblich erschweren. Die Rolltreppe hilft Besuchern bei der Orientierung – sie ist auf dem gesamten Areal das am deutlich sichtbarste Zeichen eines öffentlichen Eingangs.
Die Mauer trennte einst den repräsentativen Bereich vom Betriebsbereich auf Zollverein. Der Ehrenhof, der Vorplatz des Doppelbock-Fördergerüstes, durfte von Arbeitern nicht betreten werden. Er war Funktionären vorbehalten.
Erst nach der Stilllegung der Zeche 1986 änderte sich das: 1989, beim ersten „Zechenfest”, konnten ganz normale Bürger das Zollverein-Areal erstmals von der Gelsenkirchener Straße aus betreten. Die „verbotene Stadt” öffnete sich.
Im Zuge des Umbaus des ehemaligen Kohlenwäschengebäudes zum Museum inklusive Besucherzentrum (2004 – 2006) riss man die marode Mauer ab. „Damals gab es die Auflage, dass die Mauer nur dann abgerissen darf, wenn sie später auch wieder errichtet wird”, teilt Mirjam Grotjahn mit, Sprecherin des Landesbauministeriums. Begründung des Landesdenkmalschutzes: Als Zollverein 1986 unter Denkmalschutz gestellt wurde, stand die Mauer dort. Also gehört sie da auch wieder hin.
Mittlerweile hat sich das Besucherzentrum mit seiner Rolltreppe zum Mittelpunkt von Zollverein entwickelt. Es ist für alle Besucher, auch für jene, die von der Gelsenkirchener Straße aus kommen, sofort sichtbar. Die Verantwortlichen auf Zollverein schlagen vermutlich die Hände überm Kopf zusammen angesichts der jetzt erneuerten Forderungen seitens des Denkmalschutzes – doch offiziell heißt es nur: „Wir wollen uns im Augenblick nicht äußern, sondern erst mal in alte Pläne schauen, ob die Mauer tatsächlich von den Architekten mit eingeplant war.”
Bis tatsächlich eine Entscheidung fällt, wird wohl noch Zeit vergehen: „Man braucht wohl noch einiges an Abstimmung, um dem Denkmalschutz gerecht zu werden, gleichzeitig aber Sicht und Zugang zur Kohlenwäsche nicht zu verbauen”, sagt Mirjam Grotjahn.