Essen. . In seiner neuen Wohnung konnte sich ein schwerkranker Essener nicht erholen: Die Handwerker sanierten die Wohnung nicht fertig, es fehlen Anschlüsse, die Zimmer sind verschimmelt und von Ratten befallen. Als das Jobcenter dem 62-Jährigen einen Umzug nach einer ersten Absage doch genehmigte, wollten die Vermieter den Auszug verhindern. Er drohte, die Polizei rückte an.

„Als ich erfuhr, dass ich schwer krank bin, hat mich das völlig aus den Schuhen gehauen“, also steckte Hans-Jürgen Ermlich den Kopf in den Sand. Er verlor seine Wohnung, zog in eine städtische Notunterkunft an der Liebrechtstraße in Überruhr. Doch dort konnte er nicht bleiben, denn „die Häuser sollten saniert werden“. Mit dem Absender einer stadtbekannten Notunterkunft jedoch waren die Aussichten bei der Wohnungssuche nicht die besten.

Dann schließlich signalisiert ein Vermieter Zustimmung: „Als ich mir dann die Wohnung in Schönebeck angesehen habe, waren noch Handwerker drin und ich dachte, das kann richtig nett werden.“ Ein Heim mit separatem Eingang inmitten eines Landschaftsschutzgebietes. Ein Raum, Küche und Bad – und das Versprechen des Vermieters, die Wohnung zu sanieren, wie der 62-Jährige beteuert. Er zog ein – und jetzt, zehn Monate später, wieder aus. „In der Wohnung gibt es Schimmel und Ratten. Darum schlafe ich seit Monaten bei Freunden. Nach meiner Bauch-OP heilen die Wunden nicht gut. Mit Ratten im Haus ist das gefährlich.“

Zwischen Ein- und Auszug erlebte er einen wahren Alptraum. „Von einem Tag auf den anderen haben die Handwerker aufgehört.“ So sieht der Flur aus wie eine Baustelle. Nackte Rigipsplatten hängen an der Decke, die so niedrig ist, dass Ermlich nicht aufrecht stehen kann. Das Problem des fehlenden Anschlusses für Küchenabwasser aus Spüle und Waschmaschine ist nur notdürftig gelöst; es fließt aus einem Rohr, das aus der Hausmauer ragt ins Erdreich. „Und das, obwohl hier Wasserschutzgebiet ist“, sagt Ermlich.

Auch die elektronischen Leitungen im Bad sind unzureichend. „Wenn ich das Licht angemacht habe, sprang gleichzeitig der Boiler an und das Kabel wurde heiß.“ Zwei verschmorte Geräteschalter später gibt Ermlich auf. „Ich habe keine Hoffnung, dass es besser wird.“

Durch die Dachpappe haben die Ratten sich ins Innere des Hauses gefressen. Sie bewegen sich hörbar hinter den Gipskarton-Platten, mit denen die Wände verkleidet sind.
Durch die Dachpappe haben die Ratten sich ins Innere des Hauses gefressen. Sie bewegen sich hörbar hinter den Gipskarton-Platten, mit denen die Wände verkleidet sind. © WAZ FotoPool

Und selbst wenn: Baulich allein lassen sich die Probleme nicht lösen, denn während Küche und Schlafraum in einem Teil des Haupthauses liegen, befindet das Bad sich in einem Anbau, der früher mutmaßlich ein Stall war. Ein weiterer Stallraum, in den sich Ratten durch Dachpappe und dünne Bretterwand ins Innere des Hauses fraßen, ist in noch schlechterem Zustand. „Den Raum habe ich zwar nicht mitgemietet. Aber er mündet direkt in meine Wohnung, und es gibt keine Tür.“

230 Euro kostet das Provisorium monatlich kalt, 200 Euro Nebenkosten werden fällig. „Mittlerweile“, sagt Ermlich, „habe ich eine neue Wohnung in Steele. Die ist frisch renoviert und die Nebenkosten liegen 100 Euro günstiger.“ Einem Umzug jedoch wollte das Jobcenter, bei dem der 62-Jährige Hartz IV bezieht, zunächst nicht zustimmen. „Und das, obwohl ich den Umzug allein mit Freunden organisieren wollte und das Jobcenter durch den 1200 Euro Nebenkosten im Jahr gespart hätte.“

Ratten im Haus

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Stadt prüft Zustand der Wohnung

Zwischenzeitlich hat das Ordnungsamt die Wohnung begutachtet und wird gegebenenfalls das Bauamt einschalten. Ein Teil der Wohnung hat keine lichte Höhe von 2 Metern, so dass unklar ist, ob sie überhaupt vermietet werden darf.

Telefonisch hat Hans-Jürgen Ermlich sich nun mit dem Mieterschutzbund über den Zustand der Wohnung und seine Optionen beraten. Aufgrund des schlechten Zustandes kann er ggf. von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen.

Dafür bot man Ermlich einen Gutschein für die Einschaltung des Mieterschutzbundes an. „Ich sollte eine Frist zur Mängelbeseitigung setzen.“ Doch das hätte weitere Wochen in der maroden Wohnung bedeutet. So lenkte das Jobcenter ein – nicht so die Vermieter. Als Ermlich in dieser Woche seine Möbel aus der von Ratten befallenen Wohnung abtransportieren will, blockieren sie die Zufahrt. Der 62-Jährige ruft die Polizei, die den Disput mit den Vermietern auflöst und dafür sorgt, dass Hans-Jürgen Ermlich ziehen darf – was die Vermieter mit Drohungen quittieren. Mit der Wohnung sei alles in Ordnung, die Kündigungsfrist einzuhalten, betonen sie. Und überhaupt: Er habe renovieren wollen – als ob es damit getan wäre.