Essen. Wurde der „letzte Krupp“, Arndt von Bohlen und Halbach, zu Unrecht um sein Erbe gebracht? Der Autor Hanns-Bruno Kammertöns hält auch in der Neuauflage seiner Biografie an dieser These fest, und Berthold Beitz kommt dabei nicht gut weg.

Schon die Oma wusste: Geld allein macht nicht glücklich. Bei nur wenigen Reichen stimmt diese Binsenweisheit so auffallend wie bei den Krupps. Fast könnte man sagen: Von Generation zu Generation wuchsen neben dem Vermögen auch das Unglück und die Depressionen, kam der Tod immer früher. Höhepunkt in diesem Sinne ist Arndt von Bohlen und Halbach, der einzige Sohn des letzten Alleininhabers. Als er 1986 mit nur 48 Jahren an Krebs starb, erlosch mit ihm die direkte Linie der persönlichen Eigentümer, die das Unternehmen über 150 Jahre geleitet hatten. In Hanns-Bruno Kammertöns hat Arndt von Bohlen einen einfühlsamen Biografen gefunden, dessen 1998 vorgelegte Lebensbeschreibung demnächst leicht ergänzt neu auf den Markt kommt.

Arndts Leben, so schillernd es ist, füllt offenbar dennoch nur mühsam ein komplettes Buch. Denn bevor Kammertöns zu seinem Helden kommt, beschreibt er über gut 100 Seiten erst einmal die Geschichte von Firma und Familie von den Anfängen an. Sicherlich wird hier mancher Erzählstrang gelegt, den der Autor später wieder aufgreift, dennoch ist dieser lange Anlauf etwas ermüdend, zumal an Überblicksdarstellungen ja kein Mangel mehr herrscht.

Ein abwesender Vater, eine Mutter auf Sinnsuche, eine skeptische Familie

In Teil zwei wird’s interessanter. Kammertöns, Essener vom Jahrgang 1953, hatte Zugang zu einigen von Arndts Weggefährten und kann mit ihrer Hilfe dieses ebenso exzentrische wie von Grund auf verpfuschte Leben aufblättern. Ein abwesender, jahrelang gar eingekerkerter Vater, eine Mutter, die im Sohn den Sinn ihres Lebens meint sehen zu müssen, eine Familie, die zwischen großer Skepsis und riesigen Erwartungen changiert, eine Jugend in Internaten: Auch robusteren Naturen hätte diese Ausgangsbasis zu schaffen gemacht.

Der letzte Krupp

Krupp in Essen
Krupp in Essen © WAZ | Unbekannt
Arndt von Bohlen und Halbach.
Arndt von Bohlen und Halbach. © Unbekannt | Unbekannt
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Sohn Arndt als Kleinkind Anfang der 1940er Jahre.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Sohn Arndt als Kleinkind Anfang der 1940er Jahre. © Unbekannt | Unbekannt
Arndt von Bohlen und Halbach mit seiner Frau Hetty von Auersperg Ende 1960er Jahre in Hippie-Kluft.
Arndt von Bohlen und Halbach mit seiner Frau Hetty von Auersperg Ende 1960er Jahre in Hippie-Kluft. © WAZ | Unbekannt
Bei der Verleihung des Ehrenrings der Stadt Essen an Alfried Krupp 1961 .
Bei der Verleihung des Ehrenrings der Stadt Essen an Alfried Krupp 1961 . © Unbekannt | Unbekannt
Väterlicher Freund: Berthold Beitz und Arndt von Bohlen und Halbach 1960.
Väterlicher Freund: Berthold Beitz und Arndt von Bohlen und Halbach 1960. © WAZ | Unbekannt
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und sein Sohn Arndt während der Hannover Messe 1960.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und sein Sohn Arndt während der Hannover Messe 1960. © Unbekannt | Unbekannt
Kühle und Schweigen: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Sohn Arndt um 1960.
Kühle und Schweigen: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Sohn Arndt um 1960. © Unbekannt | Unbekannt
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach mit seinem Sohn Arndt von Bohlen und Halbach auf der Hannover Messe 1960.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach mit seinem Sohn Arndt von Bohlen und Halbach auf der Hannover Messe 1960. © WAZ | Unbekannt
Alfried Krupp mit Lehrling Wolfgang Gronau in der Radsatzwerkstatt in Essen.
Alfried Krupp mit Lehrling Wolfgang Gronau in der Radsatzwerkstatt in Essen. © Unbekannt | Unbekannt
3. August 1967: Der Generalbevollmächtigte von Krupp, Berthold Beitz (links am Rednerpult), nimmt auf der Trauerfeier in der großen Halle der Villa Hügel Abschied von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der am 30.07.1967 verstorben ist.
Knappen in Bergmannsuniformen umstehen den Sarg.
3. August 1967: Der Generalbevollmächtigte von Krupp, Berthold Beitz (links am Rednerpult), nimmt auf der Trauerfeier in der großen Halle der Villa Hügel Abschied von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der am 30.07.1967 verstorben ist. Knappen in Bergmannsuniformen umstehen den Sarg. © WAZ FotoPool | Unbekannt
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach in den 1960er Jahren mit Lehrlingen in der Radsatzwerkstatt in Essen.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach in den 1960er Jahren mit Lehrlingen in der Radsatzwerkstatt in Essen. © Unbekannt | Unbekannt
Alfried Krupp, Berthold Beitz und das Krupp-Direktorium in der Eingangshalle der Villa Hügel, 1955.
Alfried Krupp, Berthold Beitz und das Krupp-Direktorium in der Eingangshalle der Villa Hügel, 1955. © Unbekannt | Unbekannt
Arndt von Bohlen und Halbach (links), bereits gezeichnet von seiner Krankheit, und Berthold Beitz bei einem Empfang im Jahr 1975 in der Villa Hügel.
Arndt von Bohlen und Halbach (links), bereits gezeichnet von seiner Krankheit, und Berthold Beitz bei einem Empfang im Jahr 1975 in der Villa Hügel. © dpa | Unbekannt
Im Krupp-Film von 2007 spielt das Vater-Sohn-Verhältnis eine große Rolle: Arndt (li. gespielt von (Nikolai Kinski) und Vater Alfried (Benjamin Sadler, r.) sind mal wieder über Kreuz.
Im Krupp-Film von 2007 spielt das Vater-Sohn-Verhältnis eine große Rolle: Arndt (li. gespielt von (Nikolai Kinski) und Vater Alfried (Benjamin Sadler, r.) sind mal wieder über Kreuz. © Stephanie Kulbach | Stephanie Kulbach
Im Krupp-Film von 2007 spielt das Vater-Sohn-Verhältnis eine große Rolle:Arndt (li. gespielt von (Nikolai Kinski) und Vater Alfried (Benjamin Sadler, r.).
Im Krupp-Film von 2007 spielt das Vater-Sohn-Verhältnis eine große Rolle:Arndt (li. gespielt von (Nikolai Kinski) und Vater Alfried (Benjamin Sadler, r.). © Stephanie Kulbach | Stephanie Kulbach
Eher ein schweigsamer Vater: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach.
Eher ein schweigsamer Vater: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. © WAZ | WAZ
So lässt es sich aushalten: Arndt von Bohlen und Gattin Henriette von Auersperg 1974 am Pool der Villa in Marrakesch. Mit der Prinzessin aus verarmtem Hochadel war der als schwul bekannte Erbe 1969 in den Stand der Ehe getreten.
So lässt es sich aushalten: Arndt von Bohlen und Gattin Henriette von Auersperg 1974 am Pool der Villa in Marrakesch. Mit der Prinzessin aus verarmtem Hochadel war der als schwul bekannte Erbe 1969 in den Stand der Ehe getreten. © picture-alliance / dpa | picture-alliance / dpa
Von Bohlen 1984 im Restaurant
Von Bohlen 1984 im Restaurant "Grüne Gans" in München. © picture-alliance / dpa | Unbekannt
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Nachdem es in jungen Jahren schien, als würde der 1938 in Berlin geborene Erbe in die Krupp-Rolle hineinwachsen, muss seinem Vater um 1960 klar geworden sein, dass eine andere Lösung zwingend ist. Tatsächlich ließ Arndt bereits erkennen, dass man ihm guten Gewissens das Schicksal des damals größten deutschen Unternehmens mit seinen gut 100.000 Beschäftigten nicht hätte anvertrauen können. „Arndt war hochintelligent, aber er hatte keine Lust zu arbeiten.“ So fasste Berthold Beitz das Dilemma zusammen. Die Operation Erbverzicht erforderte indes Zeit und Umsicht, denn wer verzichtet schon freiwillig auf ein Milliarden-Vermögen?

Beitz überredete Arndt zum Erbverzicht

Was Alfried Krupp, dem großen Schweiger, nie gelungen wäre, das gelang dem Ersatzvater: Beitz konnte Arndt 1966 zur entscheidenden Unterschrift überreden - gegen zwei Millionen D-Mark Apanage pro Jahr. Das „Playboy“-Dasein, das Arndt da bereits führte, nahm nun Fahrt auf, wurde Lebensinhalt. Er konsumierte Unmengen an Alkohol und Drogen, verfiel falschen Freunden und Hofschranzen, die ihn ausplünderten, gab sich Spinnereien hin und unterzog sich Dutzenden riskanter Schönheitsoperationen, die seinen frühen Tod besiegelten.

Man ist geneigt, die gefundene Lösung im Sinne der Firma daher für die beste zu halten. Kammertöns sieht das anders. Er meint, seinem Helden wurde bitter unrecht getan, Beitz wird fast in die Nähe eines Erbschleichers gerückt. Gleichzeitig schildert der Autor aber schonungslos, wie kaputt an Körper und vor allem Seele Arndt von Bohlen war. Arndt wirklich als Konzernlenker? Analytisch konnte der Autor in dieser Schlüsselfrage schon bei der Erstauflage nicht überzeugen. Nichts geändert hat sich auch an Kammertöns Kolportage-Ton, der im kritischen Duktus daherkommt, tatsächlich aber altbacken wirkt. Man fühlt sich über weite Strecken an die schwadronierenden Krupp-Bücher der 1970er Jahre erinnert. Schade.

Krupp alt und neu

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Blick ins Krupp-Stammhaus. Dieses Büro richtete sich Friedrich Alfred Krupp 1887 ein.
Blick ins Krupp-Stammhaus. Dieses Büro richtete sich Friedrich Alfred Krupp 1887 ein. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Das
Das "Wohnzimmer" der Familie Krupp. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
WAZ-Leser werden von Michael Clarke (r.) durch das Stammhaus geführt.
WAZ-Leser werden von Michael Clarke (r.) durch das Stammhaus geführt. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
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Das Schlafzimmer.
Das Schlafzimmer. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Das Stammhaus von außen. Es wurde erst vor wenigen Wochen neu renoviert.
Das Stammhaus von außen. Es wurde erst vor wenigen Wochen neu renoviert. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Nach dem Stammhaus ging's in die 2010 eröffnete Konzernzentrale.
Nach dem Stammhaus ging's in die 2010 eröffnete Konzernzentrale. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Mit viel Glas und somit lichtdurchflutet präsentiert sich das Gebäude.
Mit viel Glas und somit lichtdurchflutet präsentiert sich das Gebäude. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
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Der "Raum der Stille". © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Hier können die Mitarbeiter meditieren.
Hier können die Mitarbeiter meditieren. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
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