Essen. Weil die Zahl der Asylbewerber in Essen wächst und die 720 Plätze in den zehn Unterkünften bald nicht mehr ausreichen, will die Stadtverwaltung eventuell die ehemalige Walter-Pleitgen-Schule als Noteinrichtung nutzen. Vor Ort sorgt das für Verunsicherung: Fast 200 empörte Anwohner versammelten sich, ausländer- und islamfeindliche Gruppen nutzen die schwierige Situation für ihren Wahlkampf aus.
Mit Sorge beobachtet die Stadt die steigenden Asylbewerberzahlen. Zum einen werden händeringend neue Unterkünfte gesucht, zum anderen hat man es an praktisch jedem Standort mit Anwohnern zu tun, die mit Argwohn auf die neuen Nachbarn reagieren. Und schließlich machen sich ausländer- und islamfeindliche Gruppierungen die schwierige Gemengelage zunutze und heizen das Thema im Wahlkampf rücksichtslos auf.
Dass die zehn Unterkünfte im Stadtgebiet mit ihren maximal 720 Plätzen bald nicht mehr ausreichen werden, ist eine Tatsache. Schon jetzt leben hier 634 Asylbewerber – im August 2012 waren es 455. Viele Menschen aus Serbien (290) und Mazedonien (90) sind in diesem Jahr bereits im Sommer eingereist; etliche stellen zum zweiten oder wiederholten Mal einen Antrag – und müssen mit einer erneuten Ablehnung rechnen. Hinzu kommen vermehrt Flüchtlinge aus Krisenstaaten wie Syrien, Ägypten, Irak, Iran, Afghanistan sowie Bosnien-Herzegowina und Tschetschenien.
Gerüchte und Angst verbreiten sich
Die Stadt muss also bald auf die 80 Reserve-Plätze in der Dilldorfschule in Kupferdreh zurückgreifen. Die bloße Ankündigung, hier eine Behelfseinrichtung zu schaffen, hatte 2012 für Unruhe gesorgt; ausgerechnet mit einer Lichterkette verliehen die Anwohner ihrem Unmut Ausdruck. Es folgten eine heftige Diskussion mit Vertretern der Verwaltung, Kampagnen der Rechten, Gegen-Demos der Linken.
Umbau hat offenbar begonnen
Für große Empörung bei den Anwohnern in Frintrop sorgte die Informationspolitik der Stadt. Dass die frühere Walter-Pleitgen-Schule in eine Unterkunft für Asylbewerber umgewandelt werden könnte, habe man „nur aus Munkeleien“ erfahren, ärgert sich etwa Rainer Wittmann. Dabei sei in dem Schulgebäude längst der Umbau im Gange – man habe Handwerker gesehen.
Wohl auch deswegen erlebte die Bürgerversammlung am gestrigen Donnerstag einen so großen Zuspruch. Viele Bürger fanden keinen Platz in der Gaststätte, sondern diskutierten vor dem Lokal über ihre Befürchtungen: Frintrop werde als Einzelhandels-Standort leiden, die Immobilienpreise könnten sinken.
CDU-Ratsfrau Jutta Eckenbach und Bezirksbürgermeister Helmut Kehlbreier (SPD), die zu der Versammlung kamen, betonten, dass es noch keine Ratsvorlage über die Einrichtung eines Asylbewerberheims in der früheren Schule gebe. Die Gemüter beruhigte das nicht.
All das könnte sich demnächst in Frintrop wiederholen. Denn die Stadt prüft derzeit, ob die Walter-Pleitgen-Schule, die vor den Sommerferien auslief, zeitnah als Unterkunft für Asylbewerber genutzt werden könnte. Am Donnerstagnachmittag kamen fast 200 verunsicherte und empörte Anwohner zu einer Versammlung zusammen. „Wir fühlen uns von der Stadt hintergangen“, sagt Rainer Wittmann, einer der Einlader. „Die Pläne hat uns kein Offizieller verraten, sondern der Schulhausmeister.“ Rasch habe sich das Gerücht verbreitet und mit ihm die Angst: „Ich wohne gegenüber der Schule, mein Haus ist meine Altersvorsorge“, sagt auch Wittmann. „Aber mit den Rechten wollen wir nichts zu tun haben.“
Polizei beobachtet die Lage
Doch in der Einladung zu der Versammlung gibt es Passagen, die von Rechten formuliert sein könnten. Da ist von Erfahrungen mit Sinti und Roma in anderen Städten die Rede, wo „die Notdurft teils in der Öffentlichkeit verrichtet wird, Straßenzüge vermüllen, der Lärm unerträglich ist , die Kriminalitätsrate emporschnellt“. Doch Wittmann wiegelt ab: „Wir wollen keinen Aufstand, wir wollen nur Information.“
Die Verwaltung weiß, dass Handlungsbedarf besteht, nicht nur, was die Information der Bürger angeht. Niemand will eine Situation wie in Berlin-Hellersdorf, wo rechte Hetzer jetzt eine Asylunterkunft belagert und Bewohner eingeschüchtert haben. Die Agitatoren wollen auch in NRW vermehrt vor Asylheimen und Moscheen aufmarschieren.
Wachsam beobachtet daher auch die Polizei die Lage: Pro Deutschland hat schon für nächsten Donnerstag eine Demonstration vor einer Moschee in Altenessen angemeldet, mit 6 bis 50 Teilnehmern. Erfahrungsgemäß würden es eher sechs, sagt Polizeisprecher Peter Elke. „Wir machen uns keine Sorgen – Gedanken machen wir uns schon.“