Duisburg/Essen. . Der Germanist Ulrich Schmitz ist in Pension gegangen. Er war vor der Uni-Fusion sowohl in Duisburg als auch in Essen tätig: „Der Unterschied war enorm. “ Vor seiner wissenschaftlichen Tätigkeit arbeitete er als Fernsehjournalist.
Die fusionierte Uni Duisburg-Essen feiert in diesem Jahr ihren zehnten Geburtstag. Einer der wenigen Professoren, die beide Häuser von innen kennen, noch bevor sie organisatorisch zusammengingen, ist Ulrich Schmitz. Der Germanist, der in diesem Jahr 65 geworden ist, wurde kürzlich in den Ruhestand verabschiedet.
Schmitz, geboren in Dortmund-Hörde, kam mit 27 nach Duisburg an die damalige Mercator-Uni, es war das Jahr 1976, Schmitz erinnert sich an eine beschauliche, geradezu idyllische Hochschule: „Die Räume, die Flure – alles war wie geleckt. Nirgendwo lag etwas herum. Hinzu kommt die Lage der Uni im Grünen, es kam mir fast vor wie eine feine Privat-Universität.“
Ruppige Umgangsformen
1995 folgte der Wechsel auf den Lehrstuhl „Germanistik/Linguistik und Sprachdidaktik“ der damaligen Universität Essen: „Es war ein ungeheurer Kulturschock, ich habe Jahre gebraucht, um den zu verdauen.“ Denn so beschaulich, wie es in Duisburg zugegangen war: „In Essen war es hektisch und damals schon sehr voll, und der Ton war viel rauer.“
„Rotkohl mit Klöße“
Einige der Projekte, die Schmitz angestoßen hat, werden weiterlaufen – zum Beispiel die „Linse“, die meistgenutzte deutsche Linguistik-Seite. „Wir bauen sie mit der Frankfurter Uni-Bibliothek aus zu einer virtuellen Fachbibliothek“, kündigt Schmitz an. Außerdem startet „Metropolenzeichen“ – darin geht es um Mehrsprachigkeit im öffentlichen Raum, zum Beispiel Schilder in türkischer Sprache. Schauplatz der Studie: das Ruhrgebiet.
Schmitz möchte außerdem ein Buch über Präpositionen schreiben, das ihm schon lange vorschwebt. Präpositionen sind Verhältnis- oder Lagewörter wie mit, auf, bei, außer, durch, neben.
„Sie sind faszinierend“, sagt Schmitz: „Erstens sind sie schwer zu lernen für Migranten, weil andere Sprachen komplett ohne sie auskommen.“ Zweitens bestimmen sie den Kasus ihrer Bezugswörter: „Neben den Tisch.“ Schmitz hat festgestellt, dass die Fälle immer öfter falsch verwendet werden bzw. ganz verschwinden: „,Rotkohl mit Klöße’ finden Sie bundesweit auf den Speisekarten.“ Doch er ist kein Kulturpessimist: „Sprache verfällt nicht, sie wandelt sich.“ Gejammer über den Untergang der Sprache sei so alt wie die Sprache selbst. „Jeder hält nur das für richtig, was er selbst gelernt hat. Was folgt, wird als Verschandelung betrachtet.“
Schmitz hat sich den Unterschied dann damit erklärt, dass die damalige Duisburger Uni wohl vor allem das Publikum aus den beschaulichen Niederrhein-Städten angezogen hatte, ländlich geprägte junge Menschen mit einer gewissen Erdverbundenheit. Und die Uni Essen hingegen, mittendrin im Ruhrgebiet, stand wohl mehr für großstädtische Exzentriken als auch ruppigere Umgangsformen. „In gewisser Weise“, sagt Schmitz, „war Essen natürlich spannender.“ Womit er aber nichts gegen Duisburg gesagt haben will.
Fernsehreporter in Hessen
Weil er beide Unis gut kennt, war sein Rat gefragt in den bewegten Fusionsjahren. „Ich musste da viel moderieren. Es war eine nicht einfache Zeit.“ Doch heute, findet Schmitz, sei die Fusion „längst kein Thema mehr.“ Seine Germanistik zählt er zu den absoluten Fusionsgewinnern: „Damals hatten wir zwei Lehrstühle im Fachbereich, heute sieben.“ Und trotzdem: „Eine Uni mit 40.000 Studenten“, findet Schmitz, „stößt an ihre Grenzen.“
Schmitz hatte in Tübingen, Marburg und Exeter studiert und über ein sprachphilosophisches Thema seine Doktorarbeit geschrieben. Jahrelang verdiente er seinen Lebensunterhalt in einer Branche, die nicht gerade für Sprachpflege steht: Schmitz war Fernsehreporter in Hessen, entschied sich aber am Ende dann doch für eine Arbeit in der Wissenschaft.
Doch der öffentliche Sprachgebrauch war immer eins seiner Lieblingsthemen – seine Habilitation verfasste Schmitz über die „Sprache in der Tagesschau“.