Essen. Wenige Wochen vor der Kommunalwahl gewinnt die Debatte um den Sinn der vor neun Jahren eingeführten Zweitwohnungssteuer an Fahrt. Vor allem die Dauercamper an der Ruhr sehen die Zwangsabgabe von zehn Prozent auf ihre Jahresnettomiete als ungerecht an.
Die FDP-Opposition fordert die Abschaffung der vor neun Jahren eingeführten Zweitwohnungssteuer. Die Zahlen sprechen eigentlich für sich: 400.000 Euro nimmt die Stadt Jahr für Jahr an Steuern auf Zweitwohnungen direkt ein. Besser noch: Die Einwohnerzahl von Essen und mit ihr der Zuschuss vom Land erhöht sich indirekt durch die Zweitwohnungssteuer, weil sich Hunderte von Studenten dadurch ermuntert fühlen, ihren Erstwohnsitz bei ihren Eltern in einer anderen Stadt auf Essen umzumelden, um so diese Steuer zu sparen.
3000 junge Neu-Essener allein im Jahr 2000
Der Vorteil für Essen ist immens, weil nur der Erstwohnsitz bei der Berechnung der Steuergeld-Verteilung durch Land und Bund an die Kommunen zählt, nicht der Zweitwohnsitz. Schon kurz nach Einführung der 10-Prozent-Steuer auf die Netto-Jahreskaltmiete im Jahr 2000 meldeten sich gleich über 3000 junge Leute als Neu-Essener an. So bringt die Zweitwohnsteuer indirekt der Stadt jährlich 3,2 Millionen Euro mehr ein.
„Auf diese Einnahmen kann Essen nicht verzichten”, meinen daher CDU-Finanzexperte Friedhelm Krause und OB-Spitzenkandidat Franz-Josef Britz (CDU). Inhaltlich wird die Steuer auch deshalb gerechtfertigt, weil sonst Zweitwohnungsinhaber die Infrastruktur der Stadt nutzten, ohne dafür zu zahlen.
FDP: "Steuer schreckt ab"
Der örtliche FDP-Chef Ralf Witzel, dessen Fraktion im Rat der Zweitwohnungssteuer-Satzung bisher stets zustimmte, hält dagegen in Wahlkampfzeiten nun gleichwohl eine Streichung der Zweitwohnungssteuer für sinnvoll. Denn: Studenten, Berufstätige und Urlauber würden von der Steuer abgeschreckt, in Essen länger zu verweilen.
Theoretisch ist sogar einer so finanziell darbenden Kommune wie Essen die Streichung dieser Steuer erlaubt. „Die Zweitwohnungssteuer ist keine Pflichtsteuer und liegt im Ermessen einer jeden Stadt”, heißt es aus dem NRW-Innenministerium.
Camper zahlen ebenfalls drauf
Die Forderung nach Beendigung der Steuer ist in der Bevölkerung populär, denn die Zweitwohnungssteuer ist auch neun Jahre nach ihrer ersten Erhebung umstritten.
Schon bei der Einführung handelten sich die Politiker, allen voran die regierenden Christdemokraten, jede Menge Ärger ein: Zahlen mussten zunächst nicht nur alle Studenten, die ihren Erstwohnsitz noch in einer anderen Stadt gemeldet hatten, sondern auch Camper und verheiratete Arbeitnehmer, die aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung in Essen nehmen mussten. Diese Bestrafung der doppelten Haushaltsführung stoppte erst ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2006. Zudem wurde der Stadt vorgeworfen, die Bürger mit Aufrufen, mögliche Zweitwohnungsbesitzer zu melden, zum Denunziantentum anzuregen.
Die Freizeit-Camper hatten mit ihren Klagen bisher kein Glück. „Wir haben juristisch keine Chance mehr, die Steuer abzuwehren. Selbst diejenigen Camper, die ihren Erstwohnsitz in Essen haben, müssen die Zweitwohnungssteuer zahlen”, empört sich Hans-Jürgen Jonathal vom Deutschen Camping-Club Ruhr-Niederrhein. Ungerecht sei die Steuer auch für diejenigen, die in ihrer Freizeit mit einem jederzeit abtransportierbaren Wohnanhänger campten.
Wohnwagen siedeln nach Bochum und Mülheim um
Zahlen muss laut Satzung jeder Camper, der mehr als drei Monate seinen Wohnwagen in Essen abstellt. Der Rüttenscheider Jonathal gibt jährlich 85 Euro an die Stadt ab. „Wir werden abkassiert, während die gewerbetreibenden Rotlichtdamen mit ihren Wohnwagen keine Steuern zahlen müssen.” Nun reiche es etlichen der 500 Dauercamper in Essen: Er kenne zehn Leute, die ihr Hobby aufgeben wollten oder bald nach Bochum oder Mülheim zögen. Dort werde keine Steuer erhoben.