Essen/Mülheim. . Eine schwerkranke Mülheimerin ist hilfesuchend auf dem Bordstein umhergerobbt. Weil die Frau sich nicht ausweisen und auch nicht auf Deutsch ausdrücken konnte, nahm die Essener Polizei sie in Gewahrsam. Sie vermutete Drogenmissbrauch. Acht Stunden musste die Frau in einer Zelle bleiben - bis ihr Mann sie als vermisst meldete und schließlich fand.

Dass es hierzulande scheinbar sehr einfach ist, als redlicher Bürger, der sich nichts zu Schulden hat kommen lassen, wie ein Krimineller behandelt zu werden und in Polizeigewahrsam zu landen, musste eine schwer kranke Mülheimerin dieser Tage erfahren. Acht Stunden sperrten man die Frau im Präsidium an der Büscherstraße in eine Zelle – bis ihr Mann sie als vermisst meldete, nach Essen kam, sie mit Schaum vor dem Mund Boden liegend vorfand.

So schilderte ein Leser und Nachbar des Mannes das Geschehen, in das nahezu jeder ungewollte geraten kann. Und über das Pressesprecher der Polizei in Essen-Mülheim, Peter Elke, sagt: „Die Kollegen haben alles richtig gemacht.“

Es war bei der Gartenarbeit, als der 43-Jährigen, die an einer schweren Lebererkrankung leidet, plötzlich schwarz vor Augen wurde. Da ihr Mann arbeiten und kein Nachbar in der Nähe war, versuchte sie, in Mülheim auf der Heißener Straße Hilfe zu finden. Mit letzter Kraft robbte sie über den Bordstein – bis jemand die Polizei rief, die Frau jedoch liegen ließ.

Die Beamten waren rasch vor Ort, wussten mit der türkischstämmigen Mülheimerin, die sich weder ausweisen noch in der für sie bedrohlichen wirkenden Situation auf Deutsch ausdrücken konnte, wenig anzufangen. „So haben die Kollegen dort eine Frau vorgefunden, die weder ihren Namen sagen, noch sich verständigen konnte. Dass sie schwer krank ist, hat sie den Kollegen nicht deutlich gemacht“, betont Elke. Man sei viel mehr davon ausgegangen, dass es sich womöglich um Alkohol- oder Drogenmissbrauch handele.

Notarzt konnte nichts feststellen

Anstatt in eine Klinik brachte man die Frau ins Präsidium und, nachdem ihre Fingerabdrücke genommen wurden, in die Zelle. „Wir haben versucht, sie zu befragen und einen Notarzt gerufen, der jedoch nichts feststellen konnte“, so Elke. Dennoch hätten seine Kollegen erkannt, dass sie vielleicht krank sei.

Daher habe man sie in einer ständig überwachten Sicherheitszelle einquartiert. Elke: „Ein Kollege ist mehrfach zu ihr gegangen und hat nach ihr geschaut; da hat sie immer geschlafen.“ Als ihr Mann die Wohnung unverschlossen und ohne seine Frau vorfand, meldete er sie umgehend als vermisst. Das berichtet der Nachbar. Als sich in der Wache heraus stellte, dass die Frau in einer Essener Zelle sitzt, „haben wir sie erneut von ei­ner Polizeiärztin un­tersuchen lassen. Ihr Zustand war nicht feststellbar“, sagt Elke.

"Eine innere Erkrankung lässt sich nicht von außen feststellen"

Als ihr Mann sie in Essen nicht ansprechbar und mit Schaum vorm Mund in der Zelle fand, sei der Notarzt gerufen worden, sagt der Nachbar des Mannes. Die Polizei stellt diese Situation anders da; die Polizeiärztin habe ihn gerufen. Wie auch immer: Am Ende brachte ein Krankenwagen die 43-Jährige in eine Klinik.

Ein Fehlverhalten kann Peter Elke nicht feststellen: „Eine innere Erkrankung lässt sich nicht von au­ßen feststellen. Daher ist alles richtig gelaufen. Man kann froh sein, dass die Kollegen sie mitgenommen haben.“ Denn das, so Elke, sei der übliche Ablauf, wenn jemand sich gegenüber den Beamten nicht ausweisen und ausdrücken könne.