Essen. Viereinhalb Jahre soll die Prostituierte Nicole S. aus Gelsenkirchen ins Gefängnis - wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht. Die 30-Jährige hatte einem Essener Unternehmer gedroht, ein auf Tonband aufgezeichnetes Schäferstündchen seiner Ehefrau zukommen zu lassen und so eine halbe Million Euro von ihm erpresst.

Viereinhalb Jahre lang will Staatsanwalt Dominik Schäfer die 30 Jahre alte Prostituierte Nicole S. aus Gelsenkirchen im Gefängnis sehen. Sie hatte im Prozess vor der II. Essener Strafkammer zugegeben, einen 39-jährigen Unternehmer aus dem Essener Süden um rund eine halbe Million Euro erpresst zu haben.

Als Nicole S. am Dienstag den Antrag des Anklägers hört, schießen ihr die Tränen aus den Augen. Bis zum Ende des dritten Prozesstages bekommt sie ihre Emotionen nicht mehr in den Griff. Auch ihrem Lebensgefährten stockt die Stimme beim letzten Wort. Der 26-jährige Gelsenkirchener, ein Medizinstudent, beteuert, dass ihm die Erpressung leid tut. Auch er weint.

Bewährungsstrafe für Türsteher

Für ihn hatte Schulte drei Jahre Gefängnis gefordert. Lediglich beim dritten Angeklagten, der als Türsteher allein durch seine Statur Druck auf den Unternehmer ausüben sollte, hält der Staatsanwalt eine bewährungsfähige Strafe in Höhen von eineinhalb Jahren für ausreichend. Der 36 Jahre alte Gelsenkirchener war einmal mit Nicole S. vor dem Privathaus des Firmenchefs aufgetaucht, als dieser nicht mehr zahlen wollte. Nach diesem Auftritt war das Erpressungsopfer zur Polizei gegangen. Etwa eineinhalb Jahre hatten die Prostituierte und ihr Freund ihm gedroht, ein auf Tonband aufgezeichnetes Schäferstündchen seiner Ehefrau zukommen zu lassen. Aus Angst vor Konsequenzen hatte er nach und nach 485.000 Euro gezahlt.

Langer Tatzeitraum

Um Schadenswiedergutmachung ging es am dritten Prozesstag. Sichergestellt wurden bei dem Pärchen Autos, Luxusuhren und Bargeld in Höhe von rund 100.000 Euro. Auf diese Werte verzichteten sie zugunsten des Opfers. Sie selbst sehen sich ebenfalls als Opfer eines Mannes, der ihnen Geschäfte im Stahlhandel vermittelt haben soll. Allerdings soll er mit den 300.000 Euro, die das Pärchen ihm gegeben haben will, spurlos verschwunden sein. Die Polizei versucht aktuell zu ermitteln, ob es den Mann überhaupt gibt.

Staatsanwalt Dominik Schulte begründete seinen Strafantrag vor allem mit dem langen Tatzeitraum und der hohen Geldsumme. Auch die Folgen für den Unternehmer sprach er an: „Das Opfer war durch die Tat sehr beeindruckt.“ Die Verteidiger baten für die Angeklagten um mildere Strafen, erinnerten an deren bürgerliche Herkunft. Die II. Strafkammer sah von einer schnellen Urteilsberatung ab. Richter Andreas Labentz kündigte ein Urteil für den 15. Mai an.