Essen. . Mit einem Spezialflugzeug haben die Stadt, RWE Deutschland und der TÜV Rheinland alle 213.359 Essener Dächer erfasst. 24.000 Wärmebilder sollen dabei helfen, Energiefresser im Gebäudebestand auszumachen. Mit den neuartigen Informationen aus der Luft lassen sich Wärmeverluste bewerten.
Es rattert laut auf dem Flughafen Essen-Mülheim, erst springt der rechte Propeller an, dann schaltet der Pilot Douglas Strömberg die zweite Maschine hinzu. Und hebt mit der Cessna 404 Titan der belgischen Firma Eurosense zum Flug über Essen ab.
Etwa 80 Flugschleifen muss er drehen, in drei Nächten, was zwölf Flugstunden entspricht. Und das in gerade mal 1000 Metern Höhe, damit die Stadt Essen, der TÜV Rheinland sowie die RWE Deutschland AG verkünden können, worauf sie bereits lange gewartet haben. „Wir sind fertig“, heißt es da wenig später im Flughafengebäude. Das gesamte Stadtgebiet ist im Kasten: 24.000 Bilder.
Geflogen wurde nur bei Nacht
Mit dem relativ neuen Verfahren der luftgestützten Thermografie haben die Partner in den vergangenen Wochen, wenn die Bedingungen stimmten, Wärmebilder erstellt. Maximal fünf Grad waren erlaubt, dazu musste es windstill und trocken sein; auf den Dächern durfte außerdem kein Schnee liegen.
Die gewonnenen Aufnahmen werden nun genutzt, um die energetischen Dämmeigenschaften der Gebäudedächer in Essen zu analysieren, wohlgemerkt aller 213.359 Dächer. In 93.242 Fällen handelt es sich um Dächer von Wohngebäuden, 80 Prozent davon sind in Privatbesitz. Mit den neuartigen Informationen aus der Luft lassen sich Wärmeverluste bewerten.
Sensibilisierung für das Energiesparen
Das Ziel des Projekts „RWE-Flugthermografie“ ist es, die Bürger fürs Thema Energiesparen zu interessieren, sie zu sensibilisieren und langfristig durch energetische Sanierungsarbeiten die Energieeffizienz im Gebäudebestand Essens zu verbessern. Im Herbst, so der aktuelle Plan, könne jeder Hauseigentümer von der Stadt sein individuelles Wärmebild erhalten. Bezahlen müsse er dafür nichts; die Kosten fürs Projekt trägt RWE Deutschland.
Da die Qualität der Dachisolierung ein aussagekräftiger Indikator für den gesamten energetischen Zustand des Hauses ist, bieten die Bilder eine gute Entscheidungsgrundlage für mögliche Sanierungen. „Eine ausgiebige Energieberatung vor Ort kann dieses Wärmebild jedoch nicht ersetzen“, so Silke Katharina Berger von RWE. Die Stadt und der Energiekonzern werden im Herbst individuell beraten und allgemeine Informations-Veranstaltungen anbieten.
Viel moderne Technik im Flugzeug
Um aussagefähiges Bildmaterial zu erhalten, konnte das Spezialflugzeug von Eurosense, in das neben einer Thermokamera reichlich hoch sensible Technik und Computer eingebaut sind, nur nachts fliegen. „Am Tag ist eine Messung nicht sinnvoll. Denn die Sonneneinstrahlung, die alle Körper, vor allem Gebäude und Straßen aufheizt, würde das Ergebnis wertlos machen“, so Rolf Wilting, Chef von Eurosense Deutschland.
Etwa ein halbes Jahr werden für Datenaufbereitung veranschlagt
Seine Firma und der TÜV Rheinland bereiten die gesammelten thermografischen Flugbilder momentan auf und führen sie mit den Gebäudedaten aus dem 3D-Gebäudekataster des städtischen Amts für Geoinformation zusammen. Wenn dieser Prozess beendet ist – die Datenaufbereitung soll etwa sechs Monate dauern – erhalten die Hauseigentümer ihre eigenen Gebäudeinformationen.
Zusätzlich wird eine Thermalkarte des gesamten Stadtgebiets erstellt – ein in dieser Größenordnung bislang einmaliges Vorhaben in ganz Deutschland. Wie die Thermalbilder dann aussehen, lassen die Musterergebnisse von Rathaus, Rathaus Galerie und Deutschlandhaus erahnen.
Wie komme ich an meine Bilder?
Energetische Luftbilder erstellen, sie aufbereiten und zu nutzen – ohne zu fragen – das ist in Deutschland nicht einfach möglich. Das Thema Datenschutz hat für die Stadt oberste Priorität. Daher werden die Thermalbilder flächendeckend auf Baublockebene ausgewertet. Die individuellen Ergebnisse werden nur mit der Einverständniserklärung
der Eigentümer erstellt und gespeichert. Die Eigentümer haben die Möglichkeit, Widerspruch zur Auswertung sowie Speicherung ihrer Gebäudeinformationen einzulegen. Die Daten werden ausschließlich bei der Stadt gespeichert, nicht veröffentlicht und nicht an Dritte weitergegeben.
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Jeder Eigentümer erhält im Sommer von der Stadt eine Einverständniserklärung zum Datenschutz. Somit erhält jeder Eigentümer die Möglichkeit, dem Datenschutz per Post oder via Internet zuzustimmen oder zu widersprechen: Die Bilder seines Hauses werden dann analog Google-Streetview aus dem Gesamtbild herausgepixelt.
Mit dem Schreiben erhalten die
Eigentümer einen individuellen sogenannten „QR-Code“, eine persönliche Anmeldenummer sowie ein Passwort für das städtische Internet-Portal. Dort können sich alle Essener die Ergebnisse der Thermografiebefliegung auf Baublockebene anschauen. Die Individualergebnisse werden einzig den Eigentümern zugänglich sein. Erst wenn sie zugestimmt haben, werden die Thermalbilder mit den Gebäudeinformationen verschnitten. Die Stadt will sicherstellen, dass nicht zum Beispiel der Nachbar eines Doppelhauses Informationen seines Nachbars erhält.
Da der größte Teil der Verlustwärme über das Dach verloren geht (30 Prozent), erwarten die Beteiligten, dass die meisten Eigentümer mitmachen und gespannt sind, wie sich ihr Haus unter energetischen Gesichtspunkten schlägt. Über ihren Vermieter können auch Mieter an die Bilder kommen. Weitere Infos gibt’s bei der Stadt unter 88 62 412, 88 59 200 und beim RWE: 12 26 842.