Essen. Der Neubau des Museums Folkwang hat Essen architektonisch zu einer besseren Stadt gemacht. Das Platznehmen im Innenhof kann die richtige Einstimmung für einen Besuch sein.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich dem Museum Folkwang zu nähern, und eine der angenehmsten geht so: Man betritt an einem kühlen, aber sonnigen Frühlingstag den Innenhof am Haupteingang, spürt plötzlich, dass dieser besondere Ort im Windschatten liegt, lässt sich in den Lounge-Möbeln mit Süd-Ausrichtung nieder und genießt kurz darauf das Gefühl, erstmals in diesem kalten Jahr draußen im Hemd sitzen zu können. Das Glück perfekt gemacht hätte eine Bedienung, doch vergangenen Sonntag musste man das selbst erledigen und die Getränke drinnen im Restaurant holen. Naja, man kann nicht alles haben.

Der wunderbar intelligent gebaute Innenhof mit seinem Schall- und nicht Sichtschutz zur tosenden Bismarckstraße ist jedenfalls der richtig Ort, um erst mal innezuhalten, bevor es dann ins Museum geht. Ist es übertriebener Lokalpatriotismus, wenn ich dieses Haus als etwas ganz und gar Einmaliges, als perfektes Gesamtkunstwerk empfinde? Nein, im Gegenteil, man muss es von Zeit zu Zeit immer mal betonen. Gut drei Jahre ist es nun her, dass das neue Museum zu Beginn des Kulturhauptstadtjahres eingeweiht wurde, und wenn nicht alles täuscht, dann haben sich viele Essener an den Bau gewöhnt und das Staunen ein wenig verlernt. Was schade ist, denn es handelt sich tatsächlich um einen „Glücksfall der Essener Geschichte“, wie es jüngst zutreffend in einem Buch zur Entstehungsgeschichte hieß.

Natürlich sind die Sammlungen der eigentliche Star. Aber für das Stadtbild ist das Haus selbst eben noch ein bisschen wichtiger. „Durch Vernunft zur Schönheit“ - so hat es der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt mal gesagt, und exakt diesen Geist strahlt der Bau aus. Er hält die Mitte zwischen noch verträglichem Pathos und unaufgeregter Nüchternheit. Wie leicht hätte das schief gehen und ein kalter, abweisender Klotz entstehen können, die Irrwege der modernen Architektur sind ja überall zu besichtigen. Hier glückte die Gratwanderung. Und auch das ist in einer relativ armen Stadt eine Bemerkung wert: Trotz der Eile beim Bauen sind bis heute keine relevanten Baumängel bekannt geworden, was man als Bürger dankbar registriert.

Was von Anfang an auffiel, war die Sorgfalt, mit der der Komplex außen in Schuss gehalten wurde. Es gab keine Dreckecken, keine wild wuchernden Rasenflächen, keine Plastikstühle und keine geschmacklose Reklame. So was ist man in Essen leider nicht unbedingt gewohnt. Bis Ende 2012 war aber eben die NMFE-GmbH von Projektentwickler Klaus Wolff für das gesamte Gebäudemanagement verantwortlich. Wolff ist bekannt für seine detailversessene Liebe zur Sache, die in diesem Fall besonders nahelag: Er hat das Haus selbst im Auftrag der Krupp-Stiftung und der Stadt Essen gebaut und sein „Baby“ noch einige Jahre begleiten können.

Inzwischen hat die Stadt selbst die Verantwortung übernommen, und man kann nur hoffen, dass die gesetzten Maßstäbe weiterwirken. „Ich gehe nicht davon aus, dass wir jetzt weniger machen“, sagt Folkwang-Sprecherin Doerthe Ramin. Auch um die durchaus steigerbare Service-Qualität im Innenhof will sie sich kümmern, und dann verweist Ramin noch darauf, dass es an der Kahrstraße ja noch eine weitere Folkwang-Außengastronomie gibt, die allerdings mangels Windschutz ein paar Grad Celsius mehr braucht. Vielleicht klappt’s ja dieses Wochenende.

Das neue Museum Folkwang hat sich im wesentlichen genauso entwickelt, wie es sich diejenigen erhofft haben, die am Entstehen beteiligt waren - allen voran Berthold Beitz. Schön wenn man sagen kann: Essen hat alles richtig gemacht. Und bitte nicht nachlassen!

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