Essen. . Essens Krankenhäuser stoßen zurzeit an ihre Kapazitätsgrenzen. Das bekam der älteste Bürger Essens jetzt zu spüren. Selbst nach sieben Stunden des Wartens konnte der 104-Jährige nicht stationär aufgenommen werden. Schließlich riefen er und seine Frau entnervt einen Krankenwagen, um sich wieder nach Hause fahren zu lassen.

Zwei Weltkriege und 13 Jahre Sibirien: Richard Matiburski dürfte in 104 Jahren jede Menge erlebt haben. Doch was dem Katernberger jetzt im Rüttenscheider Krupp-Krankenhaus widerfuhr, mag selbst der älteste Essener als Vorgang mit einer nahezu historischen Dimension empfunden haben: Geschlagene sieben Stunden lang warteten Matiburski und dessen Frau Helene am Mittwoch vergeblich auf ein freies Klinik-Bett – von 13.30 Uhr bis 20.30 Uhr, bis das Ehepaar schließlich entnervt einen Krankenwagen rufen ließ, um sich wieder nach Hause fahren zu lassen. „Ich lasse meinen Mann doch nicht im Abstellraum unter Papierdecken liegen“, empörte sich Helene Matiburski gegenüber der NRZ. Etwas zu essen habe es während des stundenlangen vergeblichen Klinikaufenthaltes ebenfalls nicht gegeben. „Das darf doch nicht sein.“

„Das kann eigentlich auch nicht sein“, sagt Professor Thomas Budde, ohne auf die Schnelle den Gegenbeweis antreten zu können. Tatsache aber sei: „Es war Land unter“ und das Krankenhaus – wie auch andere in Essen – bis auf den letzten Platz belegt. Die Kliniken werden zum Notfall.

Warten, bis kein Arzt kommt?

Also warten, bis kein Arzt kommt? Dr. Günther Flämig von der Geschäftsführung des Krupp-Krankenhauses weist den Vorwurf zurück, dass der 104-jährige Patient keine Untersuchungen erfahren habe. Diagnostik, Röntgenbild und Befund seien dokumentiert worden. Die übermäßig langen Wartezeiten räumte Flämig jedoch unumwunden ein: „Es tut uns sehr leid“, dass ein hochbetagtes Ehepaar so lange habe ausharren müssen. Man habe dem Senior am Mittwoch eine stationäre Aufnahme in Aussicht gestellt. „Wir waren auf der Zielgeraden.“ Doch als es erst nach dem Engagement „sehr, sehr vieler Leute“ endlich gelungen sei, Richard Matiburski über eine Notentlassung eines anderen Patienten ein Bett zur Verfügung stellen zu können, hatte das Paar das Krankenhaus bereits verlassen. „Ich kann die Ungeduld nachvollziehen“, sagt Flämig: „Wir hätten gerne mehr getan.“

Dass Richard Matiburski, der zunächst mit Atemnot in der Hals-Nasen-Ohren-Ambulanz vorgestellt wurde, um schließlich als internistischer Notfall eingestuft zu werden, am Abend noch ein Bett bekommen hätte, bezweifelt seine Frau Helene: „Ich habe 30 Jahre lang im Klinikum gearbeitet. Am Abend werden keine Patienten mehr entlassen, um neue aufzunehmen“, ist die frühere Krankenschwester überzeugt.

"Überflutungswiesen" bei Belegungsnot 

Wie dem auch sei: Professor Thomas Budde versicherte, dass gegen 21 Uhr eine Bettenbelegung tatsächlich möglich gewesen sei. Doch zu diesem Zeitpunkt war das Ehepaar bereits wieder zu Hause in Katernberg.

Während Richard Matiburski unter der Aufsicht seiner Frau über sein Sauerstoffgerät beatmet wurde, saßen Ärzte des Krupp-Krankenhauses mit der Geschäftsführung zwei Stunden zusammen, um in akuter Belegungsnot „Überflutungswiesen“, so Budde, im Haus zu lokalisieren, wo Patienten vorübergehend und angemessen untergebracht werden können: „Wir haben nicht genügend Kapazitäten.“ Damit ist Budde nicht allein.

Bettenmangel in allen Essener Krankenhäusern

Zur Zeit kommt in Essens Krankenhäusern so einiges zusammen: Die Influenza-Welle sorge für mehr Patienten und weniger Mitarbeiter, das Wetter für ungewöhnlich viele Herz-Kreislauferkrankungen. „Allein am Mittwoch hatten wir 15 Leute in der Notaufnahme“, sagt Budde. Das Aufkommen sei gegenüber dem Vorjahresmonat doppelt so hoch, weiß Flämig.

Die Kliniken Essen-Mitte haben seit kurzem Koordinatoren für ihre 696 Betten im Einsatz. Doch gerade im Moment kann es „immer mal wieder Fälle geben, in denen es zu längeren Wartezeiten kommt“, bestätigt auch Kommunikationschef Björn Kasper: „Wir sind voll ausgelastet.“ Auch das Katholische Klinikum, zu dem Marienhospital, Philippusstift und St. Vincenz gehören, hat momentan gut zu tun. „Die Betten sind voll“, sagt Sprecher Oliver Gondolatsch. In Extremsituationen könne es daher vorkommen, dass die Patientenplätze nicht ausreichen. Wie im Krupp-Krankenhaus.