Essen. . Früher Spaßvogel, heute Poet - Herman van Veen verzichtet in seinem aktuellen Bühnenprogramm größtenteils auf die üblichen Witzeleien. Dafür füllt er den Abend mit umso mehr Geschichten, die das Publikum nachdenklich stimmen. Am Freitag und Samstag trat er zum zehnten Mal in Essen auf.
Konzerte mit Herman van Veen schaffen Zeit für die innere Einkehr. Der einstige Clown ist längst ein stiller Poet geworden mit persönlichen Themen.
Wenn ein berühmter Holländer in 40jähriger Bühnenpräsenz zum zehnten Mal in unserer Stadt vorbeischaut, wie vergangenen Freitag und Samstag in der gut besuchten Philharmonie, dann darf man von einem Stammgast sprechen. Und im Publikum trafen Alt-van-Veenisten auf neugierige Premierengäste. Die Dame am Freitag in Reihe vier, Sitz drei, gehörte eindeutig zur ersten Kategorie: „Danach haben Sie etwas, woran Sie sich das ganze Jahr gerne erinnern“, sagte sie zu ihrer Nachbarin. Schöner kann man es kaum ausdrücken.
Gut, sie hätte ihr noch erzählen können von den Anfängen, vom alten Harlekin, der wie ein Irrwisch mit dem Hollandrad über die Bühne flitzte, oder mit einem Kleid im Arm, das die verehrte Edith Piaf verkörpern sollte, eng umschlungen tanzte. Aber dies alles hätte die Dame wohl nur verwirrt. Denn Herman van Veen im Hier und Jetzt ist ein anderer. Der einstige Clown ist längst stiller Poet; ein Purist, mit persönlichen Themen, die am Ende eines langen Weges bleiben: Vater – Mutter – Kindheit – erste Liebe – Vergänglichkeit. Mehr braucht es nicht. Van Veen hat nichts zu suchen in der Welt von Twitter und Facebook, er ist ihr Gegenentwurf. Ein Konzert mit ihm ist wie ein Waldspaziergang oder ein Tag am Meer: Zeit für die innere Einkehr und Rückbesinnung auf das Wesentliche.
Schonungslose intime Einblicke
Natürlich geht es nicht ganz ohne clowneske Einlagen: Die obligatorische Tischtennis-Ball-Nummer oder das Herausziehen des weißen Schlüpfers aus dem Hosenlatz gehören zum Pflichtprogramm. Aber, was bleibt, beim nachdenklichen Gang hinaus in die Nacht, sind schonungslose intime Einblicke wie: „Die Kinder sind gelungen – die Ehe nicht“, oder köstliche Dialoge mit seinen zwei Enkeln Sylvain und Sebastian („Mama, haben wir Cola – und wer ist Gott?“). Dazu die Erkenntnis des Opas: „Wenn ich gewusst hätte, wie schön es ist, Enkel zu haben, hätte ich sie zuerst genommen.“
Herman van Veen
Musikalisch untermalt wie immer vom keine Miene verziehenden Weggefährten Erik van der Wurff am Piano, den er vor 50 Jahren per Zettel am Schwarzen Brett am Konservatorium Utrecht kennen lernte. Konditionell ist der Altmeister noch voll auf der Höhe, erst die unzähligste Zugabe beendete die Abende. Kommenden Donnerstag wird van Veen 68 Jahre alt, der Autor dieser Zeilen hat seinen Geburtstag am nächsten Tag und würde gerne mal mit ihm reinfeiern. Da könnte man herrlich diskutieren, warum Holland nie Weltmeister wird!