Essen/Hamm. Heikel, wenn über Kunst vor Gericht entscheiden werden muss – und das betreffende Bild gar nicht mehr vorliegt. Doch für das Oberlandesgericht Hamm lagen die Fakten klar: Das Land NRW muss keine 32 Millionen Euro zahlen für den verschwundenen Renoir, der keiner ist.

Die wechselvolle Geschichte um ein Apfel essendes Kind in Pastellfarben bleibt eine ebenso wechselvolle wie dubiose. Seit nunmehr 20 Jahren weiß niemand so recht, wer das Original und wer die Fälschung jener Zeichnung in Hänsden hält, die einst der französische Impressionist Pierre-Auguste Renoir schuf und die er „Enfant mangeant un fruit“ nannte.

Höchstrichterlich ist seit gestern allein entschieden: Das Blatt, das irgendwann nach 2004 aus der vermeintlich sicheren Asservaten-Kammer der Staatsanwaltschaft Essen spurlos verschwand, ist nach übereinstimmender Expertenmeinung ein „wertloser Druck“. Somit verwehrte der 11. Zivilsenates des Oberlandesgerichtes Hamm gestern auch dem einst rechtmäßigen Eigentümer auch dessen Schadenersatz-Forderungen in Höhe von 32. Millionen Euro, die er vom Land NRW haben wollte.

Seit nunmehr 1994 wurde immer wieder versucht, Zeichnungen von Renoir mit unterschiedlichen Expertisen zu verkaufen. Mit dieser Absicht gelangte auch das Apfel essende Kind anno 2004 nach Essen, das allerdings vielmehr das Interesse der Fahnder als der Kunstsammler weckte und im Rahmen von Ermittlungen sicher gestellt und in die Asservaten-Kammer gebracht wurde. Eine Betrugsabsicht war dem Eigentümer seinerzeit nicht nachzuweisen, allerdings verurteilte ihn das Amtsgericht Essen zu einer Geldstrafe von 210.000 Euro, weil er keine Umsatzsteuer auf die Einfuhr des vermeintlich echten Renoir im Wert von damals angeblich drei Millionen Euro gezahlt hatte.

Das Angebot des russischen Milliardärs

So wenig man seinerzeit über den wahren Wert des Werkes erfuhr, so wenig ist heute bekannt über seinen Verbleib, weil das 49,5 mal 33,5 Zentimeter kleine Blatt aus unerfindlichen Gründen spurlos aus der Asservaten-Kammer verschwunden ist. Der gerade verurteilte, rechtmäßige Besitzer verklagte das Land auf 32 Millionen Euro Schadenersatz, schließlich habe ihm ein „russischer Milliardär 65 Millionen Euro“ geboten.

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„50 bis 80 Euro“ war der vermeintliche Renoir für die Kunsthistorikerin Dr. Mayme Nähe wert, die die Pastellzeichnung als „schlecht erhaltenen Druck“ qualifizierte. „Ganz sicher kein Original, kein Unikat“, urteilte der renommierte Kunsthistoriker der Folkwangschule Essen, Dr. Mario-Andreas Lüttichau, der das Blatt als einer der letzten Bekannten in Händen hielt.

Entsprechend das Urteil des Landgerichtes Dortmund bereits im Oktober 2012, dessen 25. Zivilkammer den Anspruch auf Schadenersatz zurückwies. Bestätigt wurde das Urteil jetzt letztinstanzlich vom 11. Senat des Oberlandesgerichtes Hamm, allerdings mit der Qualifizierung, das die Asservatenkammer in Essen durchaus auch eine „schuldhafte Amtspflicht-Verletzung“ treffe, weil sie keine „lückenlose Buchführung“ über Ein- und Ausgänge dokumentiert habe. Ein für das Land teures Versäumnis, wenn die Echtheit des „Frucht essenden Kindes“ hätte nachgewiesen werden können.