Essen. . Michel Vincent, der Leiter des Deutsch-Französischen Kulturzentrums, betont im Interview die Bedeutung der Austauschprogramme.

Das Deutsch-Französische Kulturzentrum in Rüttenscheid fördert seit Jahrzehnten die deutsch-französischen Beziehungen. Gemeinsam mit der Französischen Bibliothek hat es seinen Sitz im Gebäude der Sternschule. Anlässlich des heutigen 50-jährigen Jubiläums des Elysée-Vertrags sprach Katrin Martens mit dem langjährigen Leiter des Kulturzentrums, Michel Vincent.

Als der Elysée-Vertrag geplant wurde, war viel Leidenschaft im Spiel. Jetzt feiert man Goldene Hochzeit. Sind die deutsch-französischen Beziehungen langweiliger geworden?

Michel Vincent: Es ist eine gewisse Banalität eingetreten, das ist richtig. Es bleibt aber trotzdem in Europa eine der stärksten Beziehungen. Ich finde es persönlich sehr schade, dass die Jugend die Sprache des Nachbarn nicht mehr so lernt, wie es vor 50 Jahren der Fall war. Junge Deutsche sind mehr daran interessiert, nach Australien, Neuseeland oder Südamerika statt nach Frankreich zu reisen. Immer weniger Schüler lernen Französisch – zugunsten einer anderen Sprache, und zwar Spanisch. Dabei suchen die Firmen in Deutschland und Frankreich händeringend nach Menschen, die Französisch bzw. Deutsch können.

Französisch oder Spanisch?

Was würden Sie Schülern raten, die vor der Entscheidung stehen, Französisch oder Spanisch zu wählen?

Vincent: Meiner Meinung werden die guten Berufsaussichten mit Französisch zu selten genannt, vielleicht auch von den Lehrern. Dass man an den Schulen die zweite Sprache abwählen und eine dritte wählen kann, ist etwas unfair. Wenn man Französisch weiterbelegt, liest man Sartre und Molière. Das ist natürlich schwerer, als wenn man anfängt, die Grammatik einer Sprache zu lernen.

An den Schulen steht und fällt eine solche Entscheidung sicher auch mit dem Engagement der Lehrer...

Vincent: Ich kenne hier in Essen ganz aktive Lehrer, die es schaffen, die Guten zu halten und zu motivieren, mit Französisch weiterzumachen.

Welche Schulen hier in Essen sind traditionell besonders engagiert?

Vincent: Die B.M.V. beispielsweise hat Französisch immer gut durchgezogen, aber die Schule spürt die Entwicklung jetzt auch. Ein Leistungskurs kommt mit Mühe und Not zustande. Immerhin schafft die B.M.V. es noch alleine. Goethe und Grashof sowie Helmholtz und Maria-Wächtler tun sich zusammen, um überhaupt einen LK einrichten zu können. Der Bi-Zweig am Helmholtz-Gymnasium hat wieder ein wenig Aufwind bekommen. Ich habe den Eindruck, dass es sich bei uns auf niedrigem Niveau stabilisiert.

40 Jahre Partnerschaft mit Grenoble 

Haben Sie im Jubiläumsjahr einen Wunsch?

Vincent: Die Politiker sollten sich mehr für die französische Sprache einsetzen, indem sie zum Beispiel Mittel für Werbung zur Verfügung stellen. Und die Fremdsprachenstunden an den Schulen sollten nicht reduziert, sondern erhöht werden.

Warum hört man so wenig aus Grenoble, der französischen Partnerstadt?

Vincent: Ich denke, da wird sich etwas ändern. Oberbürgermeister Reinhard Paß war letzte Woche in Grenoble. 2014 besteht die Partnerschaft 40 Jahre. Unser Kulturzentrum setzt sich dafür ein, dass sie wieder stärker wird. Das Theodor-Heuss-Gymnasium sowie die Gymnasien Don Bosco, Helmholtz und Carl Humann haben Partnerschulen in Grenoble. Es gibt Bemühungen, einen Sportaustausch von Jugendlichen aus dem Essener Norden mit jungen Leuten aus Grenoble zu organisieren.

Sehen Sie den Jugendaustausch als Kern des Elysée-Vertrags?

Vincent: Auf jeden Fall. Es ist allerdings heutzutage schwierig, eine Partnerschaft zwischen Großstädten zu pflegen. Wir haben zum Beispiel oft Autoren aus Grenoble zu Gast. Wer nimmt das wahr? Es ist wichtig, dass Partnerschaften zwischen Schulen oder Sportvereinen da sind, damit der Austausch weitergeht. Grenoble hat 15 Partnerstädte! Das ist zu viel.

22 Ministerbesuche in Berlin

Die deutsch-französische Freundschaft wird auch immer an Politikern festgemacht. Sind die Kanzlerin und der französische Staatspräsident entscheidend für den Erfolg?

Vincent: Über Merkel und Hollande wird viel berichtet. Doch wenn man die Geschichte der Paare vor ihnen, etwa Kohl/Mitterrand, beobachtet, waren sie am Anfang genauso schwierig. Das hat gedauert, bis sie sich gefunden haben. Eine Zahl ist interessant: Seit Hollande Präsident ist, gab es schon 22 Ministerbesuche in Berlin. Das ist enorm.

Wird sich in der Französischen Bibliothek etwas ändern?

Vincent: Wir werden in Richtung Tablets und E-Books gehen und in Kürze entsprechende Medien anbieten.