Essen. Das Ehepaar Meyer aus Stadtwald ist ein Beispiel für das Zusammenwachsen von Deutschen und Franzosen – und zwar in zweiter Generation.

„Meine Großmutter ist die Urheberin“, sagt Karin Meyer lachend, schaut ihren Mann Rolf dabei an und fährt fort: „Sie hat ihn mir vorgestellt.“ Gut, solche erfolgreichen Kuppelversuche könnte mancher beim Erzählen der Familiengeschichte auftischen, aber in Karin Meyers Fall ist es doch etwas Besonderes: Denn bereits in zweiter Generation ist das Ehepaar, das in Stadtwald wohnt, ein „couple franco-allemand“.

Karin Meyers Mutter heiratete einen Deutschen, sie tat es ihr nach. Mit ihrer deutsch-französischen Familie mit Kindern und Enkelkindern sind beide ein Beispiel für die guten Beziehungen zwischen den Menschen in Frankreich und Deutschland, die heute mit dem 50-jährigen Jubiläum des Élysée-Vertrages auch in Essen gefeiert werden.

Probleme mit den Vornamen

„Im Grunde bin ich ein Kriegsprodukt“, sagt Karin Meyer. Der Vater war als Kriegsgefangener in einem französisches Lager. „Er war dort zuständig für die Zufuhr von Nahrungsmitteln und lernte meine Mutter kennen, weil er Ausgang aus dem Camp hatte“, erklärt sie. 1948 kam Karin Meyer in Ferrière-la-Grande im Department Nord nahe der belgischen Grenze auf die Welt.

Sie und ihre Geschwister bekamen deutsche Vornamen, was mitunter für Probleme wegen der deutschfeindlichen Stimmung im Frankreich der Nachkriegszeit sorgte. Und: „Wegen meines Vornamens hat man mich zur Musterung einberufen“, erinnert sich die 64-Jährige, weil die französischen Behörden nichts mit dem Vornamen anfangen konnten und sie für einen Mann hielten.

Oma stellte sie einander vor

„Die französische Familie und Verwandtschaft war gespalten“, berichtet sie von der Heirat ihrer Eltern, diese Trennung sei bis heute nicht ganz überwunden. Wie mag es da erst gewesen sein, als sie am 2. August 1972 ebenfalls einen Deutschen heiratete? Aber der Reihe nach: Sie, die Französin, fuhr in den Sommerferien zu den deutschen Großeltern nach Hameln. „Ihre Oma stellte uns 1965 vor, wir haben uns aber schon viel früher gekannt, woher genau, wissen wir nicht mehr“, erzählt Rolf Meyer.

Nach dem Abitur in Frankreich studierte Karin Meyer in Lille Germanistik und bekam eine Assistentenstelle an einem Hamelner Gymnasium. Nach dem Auslandsjahr beschloss sie zu bleiben, studierte in Göttingen auf Lehramt: Deutsch und Französisch. „Dass ich beide Staatsbürgerschaften habe, half mir, ein Referendariat zu bekommen.“ Und ihr Mann? „Ich war stolz, eine französische Freundin zu haben. Es war 1969, ich studierte in Hannover, das war was“, sagt er lachend. Nach Essen verschlug es beide durch seinen Job, er arbeitete ab 1989 für Krupp Widia. Die Familie kam 1990 nach. Sie unterrichtete kurz an der Luisenschule, dann bis zur Pensionierung am Grashofgymnasium. Er arbeitet noch in Altersteilzeit.

Geschätztes Laissez-faire

Dass heute gefeiert wird, finden beide „toll“. „Wir können uns noch gut an die Fernsehbilder von de Gaulles Rede erinnern, als er Deutsch sprach.“ Sie habe sehr von dem Austausch zwischen den Schulen profitiert, der auf das Abkommen folgte. Und ihre Kinder? „Die sind zweisprachig erzogen worden und die Enkel werden es nun auch.“

Der kulturelle Austausch sei in der Zeit vielfältig gewesen, heute kochten beide eher Französisch, aber auch Marotten der jeweiligen Nation wurden übernommen: „Meine Frau ist pünktlicher und organisierter geworden, bei mir ist es eher gegenteilig“, sagt Rolf Meyer lachend. Er mag besonders das Laissez-faire, die Lebenseinstellung der Franzosen. Beide schätzen auch die Bedeutung der Familie: „Bald fahren wir alle gemeinsam in den Urlaub, das ist in Deutschland nicht üblich.“

Nur eines vermisst Karin Meyer noch. Zwar gebe es hier mittlerweile gesalzene Butter zu kaufen, nur die dazu passende „ficelle“, eine sehr dünne Form des Baguettes, die gibt es noch nicht. „Darauf freue ich mich schon, wenn wir am Wochenende Freunde in Paris besuchen.“