Essen. Nachdem zwei katholische Kliniken in Köln ein Vergewaltigungsopfer abgewiesen haben, distanzieren sich die katholischen Kliniken in Essen von dem Fall. Sie würden einer Vergewaltigten eine Untersuchung nicht verweigern - sie aber ans Uniklinikum überweisen. Die Uniklinik sei besser ausgestattet.

Es ist zweifelsfrei eine Ausnahmesituation. Ohne Erinnerung irgendwo auf einer Parkbank aufzuwachen und einige Stunden später festzustellen, betäubt und missbraucht worden zu sein. Da sollte es doch die Regel sein, eine schnellst- und bestmögliche medizinische Behandlung zu erfahren. Eine 25-jährige Kölnerin erlebte etwas anderes: Gleich zwei katholische Kliniken weigerten sich, das Vergewaltigungsopfer zu untersuchen, weil die Beratung über die „Pille danach“ nicht ihren ethischen Grundsätzen entspreche. Essener Krankenhäuser katholischer Träger distanzieren sich von diesem Fall in Köln – aber ein Stück weit auch von Vergewaltigungsopfern. Denn die werden in den meisten Fällen zur Behandlung ans Uniklinikum übergeben.

Wir lassen keine Frau in einer solchen Situation alleine“, heißt es dazu aus dem katholischen Elisabeth-Krankenhaus. Vergewaltigungsopfer, die die Huttroper Klinik aufsuchen, würden dort selbstverständlich „emotional empfangen“ und vorerst betreut. Eine gynäkologische Untersuchung zur Beweis- und Spurensicherung, die für eine spätere Strafanzeige notwendig ist, gibt’s im Elisabethkrankenhaus dennoch nicht: „Wir übergeben die Frauen in der Regel ans Uniklinikum“, so Sprecherin Dorothee Renzel-Walter von der Contilia-Gruppe, dem Träger der Klinik. Dies geschehe ganz im Sinne der Patientinnen, die dort nicht nur eine fachkompetente, routinierte medizinische Behandlung erhalten, sondern im Fall der Fälle auch die „Pille danach“. „Das erspart den Opfern einen Weg,“ so Walter-Renzel, „ein Rezept dafür darf bei uns nicht ausgestellt werden. Das widerspricht nun mal der katholischen Grundordnung.“

Kein generelles Verbot

Ein generelles Verbot hingegen, Vergewaltigungsopfer zu behandeln, weil man sie im Zuge dessen über eine Abtreibung beraten müsste, gäbe es allerdings nicht. Und auch wenn sich die Gynäkologie des Elisabeth-Krankenhauses an keinen derartigen Fall erinnern kann: Für die ärztlichen Reaktionen im Fall aus Köln habe man absolut kein Verständnis.

Auch die Katholischen Kliniken Essen Nord, zu denen das Marienhospital in Altenessen, das Philippusstift in Borbeck und das St. Vincenz Krankenhaus in Stoppenberg gehören, betonen: „Wir weisen kein Opfer ab.“ Aber auch im Marienhospital, das als einziges der drei Häuser eine Gynäkologie-Station hat, setzt man nach einer möglichen Erstversorgung auf die Uniklinik, in der solche Patientinnen dann erst gynäkologisch untersucht werden. Gleiches Prinzip gilt bei den Kliniken Essen Süd, deren Gynäkologie sich im Katholischen Krankenhaus in Werden befindet. „Wir haben hier gar nicht die technischen Möglichkeiten für eine rechtskräftige Spurensicherung“, erklärt Sprecherin Manuela Raudasch. So müssten sie sich dort der Abtreibungsthematik „zum Glück“ gar nicht erst stellen.

Uniklinikum ist besser ausgestattet

Tatsächlich ist das Uniklinikum bestens ausgestattet: Fachärzte, vor allem Gynäkologen und Rechtsmediziner, sind rund um die Uhr vor Ort. Sie sind routiniert im Umgang mit medizinischen Gutachten im Falle eines Sexualdelikts. Sie wissen genau, was zu tun ist, um rechtskräftige Beweise zu sichern. „Die Polizei Essen arbeitet in solchen Fällen eng mit uns zusammen“, bestätigt Sprecher Burkhard Büscher. Frauen, die sich nach einer Vergewaltigung an die Polizei wenden, werden von den Beamten grundsätzlich ins Uniklinikum gebracht. Das bestätigt auch Polizeisprecherin Tanja Hagelücken.

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Insgesamt 78 Fälle von Vergewaltigungen (inklusive sexueller Nötigung), wurden 2011 in Essen zur Anzeige gebracht. „Die Frauenklinik am Universitäts-Klinikum ist in solchen Fällen sehr erfahren“, so Hagelücken, „aber generell könnte jede Klinik eine solche Untersuchung durchführen.“ Die Technik – eine Kamera für Beweis-Aufnahmen, Tupfer für den „Forensischen Abstrich“ der Täter-DNA und der auszufüllende Untersuchungsbogen – ließe sich jederzeit anfordern. Die zuständigen Polizeibeamten können diesen „Werkzeugkoffer“ in jede Klinik mitbringen.

Im Huyssensstift der Evangelischen Kliniken Essen Mitte hingegen gibt es diese medizinischen Geräte zur gynäkologischen Spurensicherung. Auch die „Pille danach“ erhält man hier ohne Diskussion. Den Fall der 25-jährigen Kölnerin hält die Klinik für einen „Skandal“.