Essen. Der personelle Ausbau an der Universität Duisburg-Essen hinkt hinter den steigenden Studentenzahlen her. Gründe dafür sind geburtenstarke Jahrgänge und der doppelte Abiturjahrgang. Damit trotzdem alle Studenten Sprechstunden bekommen, führt die Uni ein Mentorenprogramm für Erstsemester ein.

Die Begegnung mit einem Professor dürfte für viele Studenten heute Seltenheitswert haben. Durch den Ansturm auf die Universitäten hat sich das Betreuungsverhältnis deutlich verschlechtert. Laut der Zeitschrift Forschung & Lehre, die sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes beruft, kamen an den deutschen Hochschulen im Jahr 2011 auf einen Professor im Schnitt 63 Studenten. Für die Universität Duisburg-Essen wären selbst das noch traumhafte Zustände, hier sind es aktuell sogar 89 Studenten je Professor, vor fünf Jahren waren es noch 67.

Trotz Neueinstellungen

Dabei hat man zuletzt sogar Hochschullehrer eingestellt. Der personelle Ausbau hält jedoch nicht Schritt mit dem sprunghaften Anstieg der Studentenzahlen. In den vergangenen vier Jahren ist die Uni Duisburg-Essen um rund 7.500 Studenten gewachsen, mehr als 39.000 sind heute eingeschrieben. Diese Entwicklung hat viele Gründe: geburtenstarke Jahrgänge, die Abschaffung von Wehrpflicht und Studiengebühren, nicht zuletzt ein genereller Trend zur Akademisierung. Ein baldiges Ende des Wachstums ist nicht in Sicht, vielmehr dürfte es mit dem doppelten Abiturjahrgang noch enger werden.

Den Verantwortlichen vor Ort ist die Problematik bewusst, Rektor Ulrich Radtke beklagte im NRZ-Interview erst kürzlich eine erhebliche Unterfinanzierung. Die Uni nehme ihren Bildungsauftrag ernst und habe deshalb mehr Studenten aufgenommen als mit dem Land vereinbart. Die dafür bereit gestellten zusätzlichen Mittel reichten aber nicht aus, wolle man „die jungen Leute genau so gut und intensiv betreuen wie früher“.

Mentorenprogramm soll Erstis helfen

Zugleich verweist die Hochschule allerdings darauf, dass sich das Betreuungsverhältnis schon besser darstelle, wenn man neben den Professoren das weitere wissenschaftliche Personal einbezieht. Die Relation liegt dann bei 1:26, (2005 – 1:23). Damit im Uni-Kosmos kein Student untergeht, habe man darüber hinaus ein Mentorenprogramm eingeführt. Die Zusage: Jeder Erstsemester bekommt einen persönlichen Ansprechpartner, der ihm bei organisatorischen oder sonstigen Schwierigkeiten hilft.

Wie gut dieses System funktioniert, sei von Fakultät zu Fakultät unterschiedlich, so der Eindruck des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta). Das personelle Problem könne es ohnehin nicht lösen, sagt Daniel Lucas, beim Asta zuständig für hochschulpolitische Fragen. „Schon ganz banale Dinge wie die Abholung von Scheinen gestalten sich schwierig.“ Die Chancen auf ein inhaltliches Gespräch mit einem Professor über eine Hausarbeit gingen in großen Fachbereichen gegen Null. Der wissenschaftliche Mittelbau, auf den die Uni verweist, sei nicht stark genug und zudem von befristeten Arbeitsverhältnissen geprägt. „Wir brauchen aber feste Ansprechpartner.“

Betriebe haben Abbrecher im Blick

Von den mitunter frustrierenden Verhältnissen an den Unis profitieren könnten die Anbieter beruflicher Ausbildung. „Viele Betriebe nehmen sehr gerne universitäre Abbrecher“, sagt Ulrich Meier, Hauptgeschäftsführer der Essener Kreishandwerkerschaft. „Gerade vor dem Hintergrund des doppelten Abiturjahrgangs wollen wir auf Perspektiven aufmerksam machen.“ Meier übt grundsätzliche Kritik an der zunehmenden Fokussierung auf eine akademische Ausbildung. In vielen Elternhäusern regiere heute fälschlicherweise der Gedanke: ‘Ohne Abitur und Studium ist mein Kind nichts wert.’

„Wir wollen niemanden aus den Hochschulen herauslocken, aber wer in einer Sackgasse ist, dem möchten wir Alternativen bieten“, sagt auch Hans Michaelsen, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der Essener Industrie- und Handelskammer, die gemeinsam mit anderen IHKen im Ruhrgebiet eine Initiative zur Vermittlung von Studienabbrechern gegründet hat. Viele verdrossene Studenten blieben nur deshalb an der Uni, „weil sie die Alternativen nicht kennen – und ein Taxischein ist keine.“