Essen. . Für Schrotthändler Franz Maag bedeutet der Jahreswechsel den Ruhestand, sein Sohn übernimmt nach 50 Jahren die Autoverwertung. Fahrzeuge waren für Maag immer mehr als bloße Gebrauchsgegenstände.
1954, mitten im wirtschaftlichen Aufschwung der Bundesrepublik, als „das Auto noch der Deutschen liebstes Kind“ war: Franz Maag ist zehn Jahre alt, als ihn sein Vater, ein Autohändler, mit zur internationalen Automobilausstellung nach Frankfurt nimmt. Eine Stunde lang bewundert der Junge mit glänzenden Augen einen Mercedes 300 SL Flügeltürer. Mit diesem Modell war gerade die Panamericana gewonnen worden. Der Verkäufer auf der IAA nimmt den kleinen Franz Maag schließlich zu sich und erlaubt ihm, sich hinters Steuer zu setzten. „Von da an war ich besessen“, sagt der heute 68-Jährige, für den dieser Jahreswechsel ein ganz besonderer ist: Nach 50 Jahren betritt er sein Büro Silvester zum letzten Mal als Geschäftsführer, verabschiedet sich danach in den Ruhestand.
Eine turbulente, mal auf Hochglanz polierte und dann wieder ölverschmierte, dreckige Zeit liegt hinter Maag, dessen erstes Büro in einem Schäferwagen untergebracht war. Ein Freund seines Vaters hatte auf dem Gelände des heutigen Autokinos eine Autoverwertung eröffnen wollen, verstarb jedoch zuvor. „Mein Vater frage mich damals, ob ich das nicht übernehmen wolle. Ich hatte bei Bosch Autoelektriker gelernt und sagte schließlich zu“, erinnert sich Maag.
Wie bei einer Beerdigung
In den Sechzigern sei ein Auto „noch etwas ganz Besonderes gewesen“, sagt Maag und der Wehmut in seiner Stimme ist unüberhörbar. „Früher kamen ganze Familien, wenn das Auto verschrottet werden sollte. Das war wie bei einer Beerdigung, viele wollten das Lenkrad zur Erinnerung mitnehmen“, sagt Maag und ergänzt bitter: „Heute drehen sich die meisten nicht einmal mehr danach um.“ Es war die Zeit der DKW, VW Käfer und Opel Olympia, mit denen Familien vier Tage lang bis zum Gardasee herunter zockelten und an denen ihr Herz hing. Und die Entsorgung damals? „Ach, wir haben die Wagen ausgeschlachtet, mit den Händen gestapelt - die wogen ja nix - und einfach verbrannt. Samstags haben die Leute dann ihre Wäsche reingeholt, weil der Maag wieder Autos ansteckt“, kann sich der Neu-Rentner noch gut an die Jahre erinnern, in denen es das Wort Emissionsschutz vermutlich nicht einmal gab.
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1968 muss Maag auf dem Gelände der Firma Krupp Platz für das Autokino machen, zieht an die Bottroper Straße. Er ist 24 Jahre jung, die Faszination für die alten Schätzchen aber ungebrochen. Er kauft sich einen Mercedes Typ Nürburg, aus dem Baujahr 1929. Bis heute ist der Rennwagen, den ihm der Direktor der Spielbank in Monaco verkaufte, Bestandteil der Maag’schen Oldtimer-Sammlung - und sein liebstes Stück.
Einige von ihnen kaufte er gemeinsam mit Rot Weiss Essen-Legende Helmut Rahn, der ab den Siebzigern jahrelang bei ihm aushalf und ein guter Freund Maags war. „Wir waren in ganz Deutschland mit dem Abschleppwagen unterwegs. Helmut war ein toller Mensch, den nicht nur ich nie vergessen werde“, sagt Franz Maag.
Motorisierte Juwelen
Seine motorisierten Juwelen bewegt er natürlich auch - und das auf der ganzen Welt. 13 Mal nahm er bereits an der legendären Mille Miglia in Italien teil, sechs Mal bei der Ralley Monte Carlo. Er fuhr durch die rumänischen Karpaten ebenso wie auf dem Bahamas Speedway und bei der Panamericana. Sein größter Erfolg? „Ich nehme nie eine Stoppuhr mit. Es geht mir nicht um Erfolge, sondern nur darum, dabei zu sein“, sagt Maag bescheiden. Eine Tugend, die ihm wohl auch dabei half, sein mittlerweile riesiges Netzwerk in der gesamten Welt zu spannen. In der Oldtimer-Hauptstadt Deutschlands, Essen, wo mehr als 1000 Fahrzeuge mit einem H-Kennzeichen angemeldet ist, gehört Franz Maag zur Szene wie kaum ein zweiter, organisiert 2013 gemeinsam mit Claudio Schlegtendal und Rolf Krane bereits die zehnte Tour de Rü, die seine letzte werden soll.
Maag möchte es ruhiger angehen lassen, mehr Zeit für seine Familie, die Natur und die Pflege seiner Autos haben. Die traditionsreiche Autoverwertung, die seit 25 Jahren an der Altendorfer Straße zu finden ist, weiß er in guten Händen. Sein Sohn Sebastian, der seit zehn Jahren im Betrieb ist, übernimmt die Geschäfte. So einfach wie früher sei das nicht mehr, bedauert Maag: „Damals gab es viel mehr Schrauber, die Spaß hatten, ein altes Modell wieder flott zu machen. Die meisten Autos heute sind viel zu kompliziert, die Ersatzteile oft unbezahlbar.“
Hinzu komme die Wegwerfmentalität, vor der auch der Automarkt nicht verschont bleibe. Als die Abwrackprämie eingeführt wurde, kamen allein bei Maag gut 4500 Autos in die Presse, viele von ihnen noch voll funktionstüchtig. Zu schaffen macht ihm auch die Schwemme asiatischer Wagen, die „bedeutend primitiver“ und „Blender“ seien: „Aber die sind eben billiger. Kommt einer von ihnen in die Schrottpresse, fällt er zusammen wie ein Schuhkarton. Vergleichen Sie das mal mit einem Opel!“
Die Leidenschaft fürs Unvergängliche
Doch es gibt sie nicht nur bei ihm, die Leidenschaft fürs Alte, Unvergängliche. In der Werkstatt des Autofriedhofs liegt die Karosse eine Volksporsche aus den Siebzigern auf der Hebebühne. 20 Jahre lang hat der Wagen in den USA im Wasser gelegen. Maags Sohn Sebastian will ihn jetzt wieder Stück für Stück restaurieren. Fast liebevoll blickt Franz Maag auf das angerostete Skelett, es sieht aus, als würde es ihm in den Fingern jucken, direkt drauf los zu schrauben. Dass er die Tür hinter sich endgültig zu zieht, darf bezweifelt werden.