Essen. . ...und probt mit juristischem Begleitschutz den Aufstand gegen Finanzvorgaben der Politik. Sondersitzung geplant.
Zwischen Mutter Stadt und Tochter Messe geht es derzeit zu, wie in jeder anständigen Familie: Die Kleine muckt auf, fühlt sich ungerecht behandelt und murmelt irgend etwas von „Ihr werdet schon noch sehen“. Was die Erziehungsberechtigten prompt zu einem Machtwort zwingt: „Solange du deine Füße unter unseren Tisch stellst...“ Und wie in der Familie weiß man nach der Aufsichtsratssitzung vom vergangenen Dienstag nicht recht: War’s das jetzt? Ein kurzer pubertärer Aufstand, und danach ist alles wieder gut? Oder bahnt sich da eine größere Sache an?
Streit ums Geld
Es geht bei dem aktuellen Streit zwischen Stadt und Messe – wie sollte es anders sein – um Geld: Als die Politik sich im vergangenen Jahr mit hie und da durchaus gemischten Gefühlen dazu entschied, die auf netto mehr als 110 Millionen Euro Kosten kalkulierte „Ertüchtigung“ des Messegeländes zu beschließen und eine Bürgschaft über 100 Millionen Euro absegnete, da wurde im Etat auch erstmals ungeschminkt offen gelegt, wie viel die aufgedonnerte Stadt-Tochter jährlich an Zuschüssen kassiert. Rund 13,5 Millionen Euro sollten es bis 2015 jährlich sein, danach 10,0 Millionen.
So steht es auch in einer Ratsvorlage, die am vergangenen Mittwoch in die Januar-Sitzung des Stadtparlaments geschoben wurde. Dabei ist längst klar: Mit diesen Beträgen wird die Messe in den kommenden Jahren nicht auskommen: Der durchschnittliche Jahresfehlbetrag, das ist offenbar schon seit Mitte November klar, steigt in den kommenden fünf Jahren auf 15,4 Millionen Euro an.
Wirtschaftsplan nicht angepasst
So knapp ist die städtische Ausstellungsgesellschaft (Umsatz in diesem Jahr: über 65 Millionen Euro) finanziert, dass sie sich nicht in der Lage sah, den eigenen Wirtschaftsplan an die Finanzvorgaben aus dem Rathaus anzupassen. Stattdessen suchte man den Streit und gab bei der Frankfurter Rechtsanwalts-Kanzlei Bögner, Hensel & Partner ein „Memorandum“ über die „Geschäftsführerpflichten im Zusammenhang mit einer möglichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Messe“ in Auftrag.
Unterton in Richtung Aufsichtsrat
Darin finden sich nicht nur die neuen Zuschuss-Zahlen, sondern unübersehbar auch ein drohender Unterton in Richtung Aufsichtsrat: Wenn der nicht zügig den Wirtschaftsplan verabschiede, könne dies im Extremfall „als existenzvernichtender Eingriff zu werten sein“ – und die Politiker machten sich so einer Pflichtverletzung schuldig, für deren Folgen sie später womöglich mit Schadensersatz hafteten. Wer so der Mutter kommt, macht sich keine Freunde.
Das von der Messe-Geschäftsführung in Auftrag gegebene elfseitige „Memorandum“ ließ man im Rathaus betont gelassen an sich abperlen: Die juristische Expertise, so amüsierte sich das Rechtsamt in einer Replik, „ist dadurch gekennzeichnet, dass sich seitenlang theoretische Ausführungen zu denkbaren Rechtsgrundlagen finden“. Doch die dort beschriebenen (Krisen-)Szenarien rechtfertigten wohl kaum, insolvenz- und strafrechtliche Menetekel an die Wand zu malen. Es gehe doch nur um 600.000 Euro für die beiden Jahre 2013 und 2014.
Striktere Sparmaßnahmen
Kurios findet man im Rechtsamt auch den Hinweis, die Messe-Geschäftsführung könnte sich am Ende womöglich zu strikteren Sparmaßnahmen anweisen lassen, um der eigenen Haftung zu entgehen und diese auf die Stadt abzuwälzen.
Solche Sätze stören gehörig den vorweihnachtlichen Frieden zwischen Mutter Stadt und Tochter Messe, die nun für Januar und Februar gleich zwei Aufsichtsratssitzungen terminiert hat, um den Finanzstreit aus dem Weg zu räumen. Der Wirtschaftsplan für 2013 immerhin, wurde beschlossen.
Keine überzeugende Erklärung
Doch der Ärger bleibt: über eine Geschäftsführung, von der selbst hochrangige Messe-Kenner sagen, sie hätten eine „alles andere als überzeugende Erklärung“ dafür geliefert, warum das Zahlenwerk aus dem Leim gegangen ist. Beraterkosten für das Cross-Border-Leasing werden genannt, dem man beim Messe-Gelände unterworfen ist, dazu höhere Bürgschafts-Provisionen.
Und es bleibt das ungute Gefühl, dass Vertrauen schwindet an einer Stelle der Stadtpolitik, an der Vertrauen mehr denn je gefragt ist. Vertrauen in die Kooperations-Bereitschaft, Vertrauen aber auch in die Kompetenz der Geschäftsführung, deren Vertragsverlängerung im kommenden Jahr ansteht. Längst macht eine Schnurre aus der CDU-Fraktion die Runde, wo Messe-Chef Frank Thorwirth gefragt wurde, wie hoch der Zuschussbedarf der Messe nach dem Teil-Neubau ausfällt. Er habe, so ließ sich Thorwirth da sehr zum Erstaunen der Anwesenden vernehmen, „die Zahlen nicht präsent, vielleicht weiß der Kämmerer das ja“. Nun, es sind im Jahresschnitt 2018 bis 2022 rund 7,5 Millionen Euro.
Viererbündnis: Kostenrahmen beim Neubau einhalten
Eine gewisse Skepsis umfängt die Politik offenbar auch bei den Kosten für den Neubau des nördlichen Messegeländes: In einem Antrag für die Ratssitzung am Mittwoch betont das Viererbündnis aus CDU, Grünen, FDP und EBB, der Kostenrahmen sei „unbedingt einzuhalten“. Ob dies gelingt, dürfte erst die Feinplanung offenlegen, die voraussichtlich im Frühjahr vorliegt. Der Antrag wurde auf die Januar-Sitzung verschoben.